Huff, Tanya
Traum, der sie geweckt hatte, war nur der letzte in einer ganzen Serie
gewesen. Glücklicherweise erinnerte sie sich an keinen der anderen in allen
Einzelheiten.
Mit zitternden Händen schob sie die Bügel ihrer
Brille über die Ohren und sah auf die Uhr. 5:47. Fast drei Stunden Schlaf.
Sie stellte den überflüssigen Wecker ab - sie hatte
ihn auf 6:30 eingestellt - und schwang die Beine aus dem Bett. Wenn der
Dämonenbeschwörer dem bestehenden Muster folgte, dann würde der Dämonenfürst
um Mitternacht auftauchen. Damit hatte sie achtzehn Stunden, um ihn oder sie zu
finden und ihm oder ihr das Zauberbuch Seite für Seite in den Hals zu stopfen.
Die Träume hatten sie geängstigt, und nichts machte sie zorniger als Furcht,
gegen die sie nichts tun konnte.
Langsam, vorsichtig, stand sie auf. Der Liter
Orangensaft und die beiden Eisentabletten, die sie eingenommen hatte, als sie
nach Hause gekommen war, mochten vielleicht dabei geholfen haben, den
Blutverlust auszugleichen, aber sie war keineswegs in Bestform. Nicht heute.
Eine ganze Zeitlang nicht. Der Schnitt an ihrem Handgelenk schien fast geheilt
zu sein, obwohl die Haut darum herum immer noch leichte Blutergüsse aufwies
und ein wenig empfindlich war. Die Erinnerung an das tatsächliche Trinken
hatte sich mit der Erinnerung an den Traum vermischt, daher schob sie beide
beiseite, um sie später auseinander zu sortieren. Es gab im Augenblick
wichtigere Dinge, um die sie sich sorgen mußte.
Sie wäre länger in der Dusche geblieben und hätte
versucht, den Traum abzuwaschen, aber sie konnte das Gefühl nicht abschütteln,
daß etwas hinter ihr war. Da Gehör und Sicht durch den Wasserstrahl blockiert
wurden, fühlte sie sich zu verletzlich und zu preisgegeben, um lange zu
verweilen.
Sie schaltete die Kaffeemaschine ein und starrte einen
Augenblick lang auf die Straße hinaus, einen weiteren Liter Orangensaft in der
Hand. Ein oder zwei Fenster waren erleuchtet, und während sie hinaussah, kam
der junge Edmond Ng gähnend auf seine Veranda heraus und machte sich auf den
Weg zur Ecke, um die Morgenzeitungen für seine Route zu holen, nicht wissend,
das dies vielleicht seine letzte Tour war. In achtzehn kurzen Stunden würden
vielleicht die Horden der Hölle die Stadt und ihre Bewohner in Stücke reißen.
„Und das einzige, was ihnen im Weg steht, ist eine
halbblinde Ex-Polizistin und der uneheliche Sohn von Heinrich VIII." Sie
nahm einen langen Zug aus dem Krug Orangensaft und schob ihre Brille die Nase
hoch. „Das macht einen ganz schön nachdenklich, was?" Außer, daß sie nicht
mochte, woran sie das denken ließ.
Finde einen unter dreiundzwanzig unter
zwanzigtausend. Soweit es einen Großteil der Polizeiarbeit anging, waren die
Chancen tatsächlich gar nicht so schlecht. Selbst wenn sie die Adressen der
Studenten von der Universitätsverwaltung bekommen konnte - und offen gesagt,
ohne ihre Marke bezweifelte sie das - würde es sie wahrscheinlich doch weiter
bringen, wenn sie mit den Studenten selbst redete. Der obere Teil des Haufens
wußte für gewöhnlich, wer die gleichen Ansichten wie sie hatte, und wenn einer
der Dreiundzwanzig die Person war, nach der sie suchte, dann sollte zumindest
einer der anderen mit dem Finger auf sie zeigen können.
Natürlich bestand die Möglichkeit, daß sie all die
Puzzleteile zu einem falschen Bild zusammengesetzt hatte. Daß sie nicht nur auf
dem Holzweg, sondern im völlig falschen Wald war.
Schweißperlen prickelten ihre Wirbelsäule entlang
und sie widerstand dem Drang, sich umzudrehen. Sie wußte, daß ihr Appartement
leer war, daß nichts hinter ihr stand, und sie wollte keinen Phantomen nachgeben
- es gab genügend echte Schrecken, auf die sie ihre Angst verwenden konnte.
Es war noch Zeit für ein Frühstück, bevor sie sich
auf den Weg nach York machte. Es hatte keinen Sinn, mit leerem Magen auf einem
leeren Campus anzukommen. Um 6:35, nachdem die Rühreier gegessen und eine
zweite Tasse Kaffee fast ausgetrunken war, rief sie Mike Celluci an, ließ es
dreimal klingeln und legte auf. Was sollte sie ihm sagen? Daß sie zu wissen
glaubte, wer der Mörder war? Das hatte sie seit der Nacht in der Woodbine
gewußt, als sie Henry getroffen hatte. Daß eines der dreiundzwanzig
Computergenies der York University in seiner oder ihrer Freizeit Dämonen
beschwor, und daß sie oder er, wenn niemand sie oder ihn aufhielt, etwas
beschwören würde, mit dem er nicht mehr fertigwerden und das die Welt
vernichten würde? Er
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