Huff, Tanya
weniger
ärgerlich.
An der Nummer von Birdwell kreischte ein offenes
Modem in der Leitung, und Vicki legte rasch auf.
„Sieht aus, als wären wir wieder bei Coreen
gelandet."
8:17. Sie gähnte. Sie könnte den Rest des Tages
damit verbringen zu versuchen, N. Birdwell zu erreichen - der Norman sein
könnte oder auch nicht - aber was sie wirklich brauchte, waren noch vier oder
fünf Stunden Schlaf. Der Blutverlust kombiniert mit dem späten Zubettgehen
-sie war immer mehr der „Früh-ins-Bett-und-Früh-heraus"-Typ gewesen -hatte
sie wirklich ganz schön umgehauen. Wahrscheinlich sollte sie
immer noch nach York rausfahren, immer noch mit den
anderen auf der Liste sprechen, aber jetzt, da ihr die Gelegenheit, etwas
Schlaf aufzuholen, in den Schoß gefallen war, schien ihr Körper die
unabhängige Entscheidung zu treffen, sie zu nutzen.
Sie taumelte ins Schlafzimmer, warf ihre Kleider
auf den Boden und schaffte es gerade noch, lange genug wachzubleiben, um ihren
Wecker auf ein Uhr zu stellen. Die Augen fielen ihr fast zu, bevor ihr Kopf auf
das Kissen traf. Coreens Anruf hatte die Ungewißheit verbannt, die Bedrohung
definiert, und damit hatte Vicki eine Waffe, mit der sie die Alpträume
bekämpfen konnte, wenn sie wiederkamen.
„Manchmal gewinnen wir durch größere Feuerkraft,
durch zahlenmäßige Überlegenheit oder bessere Waffen, aber meistens ist es das
Wissen, das unsere Siege ausmacht. Wenn Sie Ihren Feind kennen, hat er seine
Macht über Sie verloren."
Vicki wachte auf, während ihr noch die Worte eines
ihrer Ausbilder auf der Polizeischule in den Ohren klangen. Er hatte eine
starke Neigung zu einem bombastischen Stil und fast shakespearischen Reden
gehabt, aber was in den Augen der meisten Polizeischüler seine Ehre wieder
gerettet hatte, war nicht nur, daß er fest an alles glaubte, was er sagte,
sondern daß er zumeist auch recht hatte.
Das Monster hatte einen Namen. Norman Birdwell.
Jetzt konnte es geschlagen werden.
Nach einem Teller Suppe, einem getoasteten
Tomatensandwich und einer weiteren Eisentablette, rief sie Henry an.
„...ich werde also, sobald Coreen mir irgendeine
Adresse liefert, anrufen und Ihnen Bescheid geben. So, wie es sich anhört,
dürfte es nicht allzu schwierig werden, mit ihm fertigzuwerden, wenn kein
Dämon in der Nähe ist. Ich werde mich von Coreen nach York zurückbringen lassen
und dort auf Sie warten."
Mit ihrem Finger auf der Gabel saß sie da und
lauschte dem Wählton, starrte in die Ferne und versuchte, zu einem Entschluß zu
kommen. Schließlich hatte sie sich entschieden. „Nun, es kann nicht
schaden." Ob er ihr glaubte oder nicht, es war immerhin eine Information,
die er haben sollte.
„Mike Celluci, bitte. Ja, ich bleibe dran."
Er war nicht im Gebäude, und der junge Mann am
anderen Ende der Leitung war eindeutig nicht hilfsbereit.
„Wenn Sie ihm bitte ausrichten könnten, daß Vicki
Nelson angerufen hat."
„Ja, Ma'am. Ist das alles?" Der junge Mann
hatte offensichtlich nie von ihr gehört und war nicht beeindruckt.
Vickis Tonfall änderte sich. Sie hatte ihren Rang
nicht in ihrem Alter erreicht, ohne die Fähigkeit zu erwerben, mit rotzfrechen
jungen Männern fertigzuwerden. Die Worte kamen im Kasernenton herausgeschossen.
„Sagen Sie ihm, er soll einen Studenten an der York University namens Norman
Birdwell überprüfen. Ich werde ihm mehr erzählen, wenn ich mehr weiß."
„Ja, Sir! Ich meine, Ma'am."
Sie grinste ein wenig traurig, als sie auflegte.
„Okay, ich bin also kein Cop mehr", erklärte sie einem alten Foto von sich
in Uniform, das über dem Schreibtisch hing. „Das ist kein Grund, das Kind mit
dem Bade auszuschütten. Vielleicht ist es an der Zeit, eine völlig neue
Beziehung zum Polizeipräsidium aufzubauen."
Da sie Zeit und nicht viel anderes damit anzufangen
hatte, nahm Vicki öffentliche Verkehrsmittel nach York. Eine Kindheit, die sie
damit verbracht hatte, jeden Penny zweimal umzudrehen, hielt sie so oft wie
möglich von Taxis fern. Sie meckerte und beschwerte sich zwar wie die meisten
anderen in Toronto über die TTC, aber sie mußte doch zugeben, daß diese, wenn
man es nicht fürchterlich eilig hatte oder zu viel Wert darauf legte, gegen
wessen Körper gepreßt man seine Zeit verbrachte, einen doch dorthin brachte, wo
man hinwollte, und zwar mehr oder weniger dann, wann man dort sein mußte.
Während der langen Fahrt zur Universität brachte
sie alles, was sie wußte, in einen langen Bericht in Form einer Aufzählung.
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