Huff, Tanya
Gemurmel
erhoben, sie stehenbleiben ließ.
„...und ihre Kehle war weg, genau wie bei den
anderen."
Henry hatte sich geirrt. Der Dämon hatte heute
nacht wieder getötet. Aber warum hier, fast im Herzen der Stadt, kilometerweit
von allen
möglichen Namen entfernt? Henry, und das Gefühl,
das ihn heute nacht in seinem Appartement hatte bleiben lassen...
„Verdammt!" Vicki vertraute darauf, daß ihre
Füße den Weg schon finden würden, drehte sich um und begann zu rennen, wobei
sie sich durch den beständigen Strom neuankommender Neugieriger drängte. Sie
stolperte über einen Randstein, den sie nicht sehen konnte, prallte mit der
Schulter an einen schlecht zu erkennenden, verschwommenen Fleck, der ein Mast
gewesen sein könnte, und rannte in mindestens drei Leute hinein, die zu
langsam waren, um ihr auszuweichen. Sie mußte zu Henry kommen.
Als sie sein Haus erreichte, fuhr ein Krankenwagen
vorbei, und eine Gruppe von Leuten rannte hinter ihm die bogenförmige Einfahrt
hoch und folgte ihm wie eine makabre Gänseherde um die Ecke auf den St. Paul's
Square. Der Wachmann mußte unter ihnen gewesen sein, denn als Vicki sich durch
die Türen und in die Eingangshalle drängte, war sein Schreibtisch leer.
Verdammt noch mal!"
Sie griff hinüber und fand den Schalter, der die
Innentür öffnete, aber, wie sie befürchtet hatte, hatte er abgeschlossen und
den Schlüssel mitgenommen. Da sie zu aufgebracht und zu besorgt war, um auch
nur zu fluchen, fing sie an, heftig an der Tür zu zerren. Zu ihrer Überraschung
schwang diese auf, wobei das Schloß protestierte, als eine Metallzunge, die
nicht ganz eingerastet war, herausgezerrt wurde. Sie schoß hindurch, nahm sich
eine Sekunde Zeit, um sie wieder sorgfältig hinter sich zu schließen - alte
Gewohnheiten sterben nur langsam - rannte durch die innere Eingangshalle und
hämmerte auf die Fahrstuhlknöpfe.
Sie wußte sehr gut, daß es nichts bringen würde,
weiter auf sie einzuschlagen, aber sie tat es trotzdem.
Die Fahrt zum vierzehnten Stock hinauf schien Tage
zu dauern, sogar Monate, und das Adrenalin ließ sie fast die Wand hochgehen.
Henrys Tür war verschlossen. Sie war sich so sicher, daß Henry in Schwierigkeiten
war, daß ihr überhaupt nicht der Gedanke kam zu klopfen. Sie kramte in ihrer
Tasche, zog ihre Dietriche heraus und machte einige tiefe Atemzüge, um ihre Hände
zu beruhigen. Obwohl die Angst ihr immer noch „Schneller!" zurief, zwang
sie sich selbst, langsam den passenden Dietrich hineinzuschieben und noch
langsamer an den empfindlichen Einstellungen zu arbeiten, die den Schlüssel
ersetzten.
Nach einigen quälend langen Momenten, in denen sie
glaubte, daß das teure Schloß ihre Fähigkeiten überstieg, gerade, als sie
wünschte, Dirty Harry würde auftauchen und die Tür einfach aus den Angeln
schießen, fiel der letzte Riegel. Sie atmete wieder, dankte Gott, daß die Erbauer
keine elektronischen Schlösser eingebaut hatten, warf die Dietriche in ihre
Tasche und riß die Tür auf.
Der Wind, der vom Balkon hereinpfiff, hatte den
größten Teil des Gestanks vertrieben, aber ein Hauch von Fäulnis war
geblieben. Wieder dachte sie an die alte Frau, die sie im Hochsommer nach sechs
Wochen tot aufgefunden hatten, aber diesmal verlieh ihre Phantasie der Leiche
Henrys Gesicht. Sie wußte, daß der Gestank von dem Dämon stammte, aber ihre
Eingeweide behaupteten etwas anderes.
„Henry?"
Sie griff hinter sich, zog die Tür zu und tastete
nach dem Lichtschalter. Sie konnte überhaupt nichts sehen. Henry könnte tot zu
ihren Füßen liegen und sie hätte keine...
Er lag nicht direkt zu ihren Füßen. Er lag
ausgestreckt über der umgekippten Couch, halb von zerrissener Polsterung
bedeckt. Und er war nicht tot. Die Toten haben eine Haltung, die die Lebenden
unmöglich imitieren können.
Glas glitzerte auf dem Teppich wie eine Eisbahn, man
konnte ihm unmöglich ausweichen. Die Balkontür, der Couchtisch, der Fernseher
- der Teil Vickis, der darauf trainiert war, inmitten eines Chaos' zu beobachten,
ordnete die verschiedenfarbigen Glasstücke zu, während sie hindurchging. Henry
schien in etwas besserer Verfassung als sein Appartement zu sein.
Sie mühte sich ab, die Tür des Wintergartens zu
schließen, und zog sie mit Gewalt durch die langsam trocknenden, klebrigen
Pfützen aus gelber Flüssigkeit. Dann ließ sie sich neben dem Sofa auf einem Knie
nieder und preßte ihre Finger gegen die feuchte Haut von Henrys Hals. Sein Puls
war so langsam, daß
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