Huff, Tanya
jeder folgende Schlag fast wie ein nachträglicher Einfall
erschien.
„Ist das normal? Woher zum Teufel soll ich wissen,
was bei Ihnen normal ist?"
So sanft wie möglich befreite sie ihn von der
Polsterung und entdeckte, daß wie durch ein Wunder keine Knochen gebrochen zu
sein schienen. Seine Knochen waren sehr kräftig, fiel ihr auf, als sie
vorsichtig seine Arme und Beine ausstreckte, und sie fragte sich verstört, ob
er sie durch den Vampirismus bekommen hatte oder ob sie ein eher sterbliches
Erbgut waren - nicht, daß das jetzt eine große Rolle spielte. Er wies eine
Reihe von Schnitten und Stichen auf, sowohl von Glasscherben als auch von
etwas, das sie für die Klauen des Dämons hielt.
Die Wunden, selbst die tiefsten davon, bluteten nur
schwach, wenn überhaupt.
Seine Haut war kühl und feucht, seine Augen waren
nach hinten gerollt, und er reagierte überhaupt nicht. Er hatte einen Schock.
Und wie zutreffend Vampirlegenden auch immer sein mochten, Vicki wußte, daß sie
sich in einem Punkt irrten. Henry Fitzroy war nicht untoter als sie selbst; er
lag jetzt im Sterben.
„Verdammt. Verdammt! VERDAMMT!"
Mit einer Hand ließ sie Henrys Körper auf die
zerrissenen Kissen hinuntergleiten, während sie die Couch wieder aufrecht
kippte, daneben kniete und nach ihrer Tasche griff. Die kleine Klinge ihres
Schweizer Armeemessers war die schärfste — sie benutzte sie seltener — daher
setzte sie ihre Schneide gegen die Haut ihres Handgelenks. Die Haut kräuselte
sich, und sie hielt inne und schickte ein stummes Gebet nach oben, daß dies
funktionieren möge, daß die Legenden, in was sie sich auch irren mochten, in
diesem Punkt recht hatten.
Es tat nicht so weh, wie sie erwartet hatte. Sie
preßte den Schnitt auf seine Lippen und wartete. Ein dunkelroter Tropfen rollte
aus seinem Mundwinkel und zog eine rote Linie über seine Wange.
Dann bewegte sich seine Kehle, ein kleines,
krampfartiges Schlucken. Sie fühlte, wie sich seine Lippen ihrem Handgelenk
anpaßten und seine Zunge ein-, zweimal an dem fließenden Blut leckte. Ihre
Nackenhaare sträubten sich, und sie preßte, fast widerwillig, die Wunde fester
gegen seinen Mund.
Er begann zu trinken, wild saugend zu Anfang, dann
ruhiger, als etwas in ihm erkannte, daß er nicht zurückgewiesen werden würde.
Wird er wissen, wann er aufhören muß? Ihre Atmung
wurde unregelmäßig, als die Gefühle, die ihren Arm entlangströmten, ähnliche
Gefühle in anderen Teilen ihres Körpers hervorriefen. Werde ich ihn aufhalten
können, wenn er es nicht weiß?
Zwei Minuten, drei, sah sie ihm beim Trinken zu,
und während dieser Zeit war dies alles, was er war - Hunger, sonst nichts. Es
erinnerte sie an
einen Säugling an der Brust, und unter ihrer Jacke,
ihrem Pullover und ihrem BH konnte sie fühlen, wie ihre Brustwarzen bei dem
Gedanken hart wurden. Sie konnte verstehen, warum so viele Geschichten über
Vampire das Blut mit Sex verbanden - dies war eine der intimsten Handlungen,
an denen sie je teilgenommen hatte.
Zuerst war da Schmerz, und dann war da Blut.
Es gab nichts als Blut. Die Welt war Blut. Sie sah zu, wie sein Bewußtsein
zurückkehrte und seine Hand sich hob und die ihre ergriff, um sie gegen seinen
Mund zu drücken. Er konnte jetzt das Leben fühlen, das ihm das Blut gab. Es
riechen, es hören, es erkennen, und er kämpfte gegen den roten Nebel an, der
ihm sagte, daß dieses Leben ihm gehören sollte. So leicht, dem Hunger nachzugeben.
Sie konnte den Kampf sehen, als er ein letztes Mal
schluckte und dann ihr Handgelenk wegschob. Sie verstand nicht. Sie konnte sein
Verlangen fühlen, fühlen, wie sie selbst davon angezogen wurde. Sie hob ihr
Handgelenk wieder an seinen Mund, und blutrote Tropfen quollen aus dem
Schnitt.
Er schleuderte es von sich weg mit einer Kraft, die
sie überraschte, und die Abdrücke seiner Finger zeichneten sich weiß auf ihrem
Arm ab. Unglücklicherweise war es alle Kraft, die er besaß, sein Körper wurde
wieder schlaff, und sein Kopf sank an ihre Schulter.
Der Schmerz seines Griffs half, den Nebel zu
vertreiben, obwohl es immer noch verzweifelt schwierig war zu denken. Sie
veränderte ihre Haltung. Der Raum wurde abwechselnd scharf und wieder
unscharf, und als sie aus der Dunkelheit auftauchte, wurde ihr klar, warum er
sich gezwungen hatte aufzuhören. Sie konnte ihm nicht all das Blut geben, das
er brauchte, nicht ohne sich selbst dabei zu opfern.
„Scheiße, scheiße, scheiße!" Es war nicht sehr
kreativ, aber sie
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