Huff, Tanya
Durchsuchungsbefehl
beantragen zu müssen."
„Ach? Ich verstehe."
„Wenn wir einen brauchen, können wir jederzeit einen
kriegen!" Wachtmeister Kessin wünschte, er hätte den Mund gehalten, denn
nun richtete sich der unverwandte Blick der Ärztin auf ihn, und er hatte das
unangenehme Gefühl, die Frau würde ihn gedanklich auf eine Waagschale legen und
sofort für zu leicht befinden. Seine Organe nehmen wir nicht. Er ist ein
Dummkopf.
„Aber natürlich können Sie das." Wobei der Ton, in
dem die Ärztin das sagte, klarstellte, daß sie vom Gegenteil überzeugt war. Ehe
sich einer der beiden Beamten durch den Ton beleidigt fühlen konnte, sprach sie
auch schon weiter. „Aber das wird nicht nötig sein, denn nun bin ich ja glücklicherweise
hier." Wachtmeisterin Potter schien etwas sagen zu wollen, wurde aber von
der Ärztin daran gehindert, die mittlerweile leicht gereizt klang: „Hier im
Haus befinden sich einige sehr kranke Menschen, Wachtmeisterin. Ich bin
sicher, Sie haben nicht wirklich erwartet, daß Schwester Damone Sie hier
unbegleitet herumlaufen läßt? Oder ihren Posten im Stich läßt, um Sie zu begleiten?
Aber nun bin ich hier, und das löst alle Probleme. Was möchten Sie als erstes
sehen?"
Hinter der Hintertür macht der Flur einen Bogen nach
links. Dort finden Sie eine Tür mit der Aufschrift Elektrische Schaltzentrale.
Hinter dieser Tür befindet sich ein weiterer kleiner Flur, und von diesem Flur
geht die Tür zu einem Krankenzimmer ab ...
„Ich denke, wir sollten bei der Hintertür beginnen, Frau
Doktor."
„Gut. Schwester..."
Kurz flammte in beiden Wachtmeistern die Hoffnung auf,
Schwester Damone möge aufgefordert werden, mit ihnen zu gehen, während Dr. Mui
sie im Schwesternzimmer vertrat.
„... ich bin bald wieder zurück."
Die Hoffnung sank in sich zusammen und zerfiel zu Asche.
„Diese Tür ist nicht durch eine Alarmanlage
gesichert?"
„Wie ich Ihnen bereits sagte, Wachtmeisterin Potter, haben
wir hier im Haus ein Dutzend schwerkranker Menschen. Nehmen wir einmal an, jemand
muß dringend das Haus verlassen und nimmt dafür diese Hintertür; ein unnötiger
Alarm könnte reichen, einen oder zwei dieser Menschen umzubringen."
„So krank sind die?"
„Unsere Patienten sind hier, weil ihnen gerade noch zwei
Optionen verblieben sind: Transplantation oder Tod. Ja, sie sind so krank, daß
eine Alarmsirene sie zu Tode erschrecken könnte."
Wachtmeister Kessin runzelte angesichts der schweren
Stahltür die Stirn. „Aber nehmen wir einmal an, jemand gelänge von außen ins
Haus?"
„Die Tür läßt sich von außen nicht öffnen."
„Es gibt Leute, Frau Doktor, die es schaffen, jede Tür zu
öffnen."
Dr. Mui lächelte. „Was würde einem eine Alarmanlage gegen
solche Leute schon nützen?"
,,Verschließen Sie immer die Tür zur elektrischen
Schaltzentrale?"
„Zwei Punkte für Sie, Wachtmeister." Dr. Mui zog
einen Schlüsselbund aus der Kitteltasche und steckte einen der Schlüssel ins
Schloß. „Zum einen ist dies nicht die Tür zur Schaltzentrale. Sie führt zu
einem kleinen Flur. Zum anderen: Nein, wir verschließen sie in der Regel
nicht."
„Warum ist sie dann jetzt verschlossen?"
„Das kann ich Ihnen nicht sagen."
„Das Zimmer, nach dem Sie suchen, sieht aus wie ein
beliebiges Krankenzimmer, nur sind die Wände aus unverputzten, gestrichenen
Hohlziegeln, und es gibt nur ein Fenster, weit oben und nicht zu erreichen.
Auf dem Bett liegt ein Mann ..."
Wachtmeisterin Potter trat über die Türschwelle und blieb
abrupt stehen. Sanft mußte sie ihr Partner weiter in den Raum hineinschieben.
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte die Polizistin das Gefühl, sie würde
gerade aus einem tiefen, unergründlichen Brunnen steigen. Das mochte an der
Beleuchtung liegen: Das Zimmer bestand ausschließlich aus glatten, schimmernden
Oberflächen; nichts brach hier den intensiven Glanz der Neonröhren.
Der Mann auf dem Bett setzte sich auf und rieb sich leise
grummelnd die Augen.
„Ein verborgenes Zimmer und ein Mann, der ganz offensichtlich
kein Patient ist: Können Sie uns das erklären, Frau Doktor?"
„Dieser Raum sollte ursprünglich die Waschküche werden.
Aber dann stellten wir fest, daß es kostengünstiger ist, außerhalb des Hauses
waschen zu lassen. Da waren alle Leitungen bereits verlegt und wir konnten das
Zimmer mit wenig Aufwand zu einem zusätzlichen Krankenzimmer umbauen. Was den
Mann auf dem Bett angeht...", hier wurde der Ton der Ärztin schärfer,
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