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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blood Ties 05 - Blutschuld
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vermeide es, Aufmerksamkeit zu erregen." Das alles mit der Stimme
vorgebracht, die er eingesetzt hatte, als er Vicki das Jagen lehrte. Wenn sie
Glück hatten, würde sie auf diese Stimme hören. Vorsichtig stellte Henry das
braune Fläschchen auf einem Tisch ab und ging, um an der Tür Wache zu stehen.
    Vicki konnte an nichts anderes denken als an das Leben,
das sie jetzt in Händen hielt und an das, nach dem sie suchte. Henrys Stimme,
seine Worte, waren nur Teil der vielfältigen Geräuschkulisse der Klinik, und
all diese Geräusche gingen im Jagdschrei, der durch ihren Kopf hallte, so gut
wie unter. „Letzte Nacht", sagte sie ruhig und ungeheuer bedrohlich,
„wurde in dem geheimen Zimmer hier ein Mann gefangengehalten. Wo ist dieser
Mann jetzt?"
    Die Schwester schwankte zwischen Angst und Verwirrtheit:
„Geheimes Zimmer?"
    „Das Zimmer im hinteren Teil des Gebäudes."
    „Sie meinen die alte Waschküche? Da war niemand."
    „Er war dort." Das klang noch bedrohlicher.
    Die Schwester steckte in der Zwickmühle: auf der einen
Seite das, was sie als Wahrheit zu wissen meinte, auf der anderen Seite die
Wahrheit, die sie in den silbernen Augen lesen konnte. Sie wimmerte leise.
    „Er war da!" wiederholte Vicki. Erregt hob ihr Hunger
das Haupt; Vickis Finger umklammerten weißgekleidete Schultern und bohrten sich
in Fleisch. „Wo ist er?"
    „Ich weiß es nicht!" Über die Wangen der Schwester,
aus denen alle Farbe gewichen war, liefen Tränen, und die Frau schaffte es
kaum, mit ihren zitternden Lippen überhaupt eine Antwort zu formulieren.
    „Sie sagen es mir auf der Stelle!"
    „Ich will nicht...", ein unterdrückter Schluchzer
teilte den Protest in
zwei Hälften          nicht
sterben."
    Das Herz der Pflegerin schlug in raschem Stakkato, ihr
Blut raste panisch - da fiel es Vicki schwer, überhaupt einen klaren Gedanken
zu fassen. Der

Hunger ließ sich nur noch mit Mühe bändigen und verlangte
von Vicki, nach der Furcht zu greifen, die da vor ihr stand, sie sich zu eigen
zu machen. Zu reißen, zu zerfleischen, zu trinken. Schon war sie einen halben
Schritt vorgetreten, den Kopf leicht im Nacken, die Nasenflügel geweitet, um
den warmen, fleischigen Duft nach mit panischer Angst gewürztem Leben ganz in
sich aufzunehmen. Noch war die Erinnerung an die betörende Erfahrung im
Lagerhaus nicht verblaßt; es würde leicht sein, ganz loszulassen.
    Tu rasch, was du zu tun hast.
    Ja.
    „Diejenigen von uns, die lernen, den Hunger zu beherrschen,
die haben die Ewigkeit vor sich. Wer allerdings selbst vom Hunger beherrscht
wird, den wird man rasch aufspüren und vernichten."
    Auch dies waren Henrys Worte, allerdings eine Lektion,
eine Erinnerung, die weiter zurücklag.
    Mich beherrscht nichts und niemand.
    Falls es für „Victory" Nelsons Leben ein Motto gab,
dann ganz gewiß dieses.
    Sie gab die Krankenschwester so abrupt frei, daß die Frau
schwankte und gefallen wäre, wenn Vicki sie nicht in einer neuen, weitaus
weniger gefährlichen Geste aufgefangen hätte. „Sie haben uns nicht gesehen, und
solange wir uns hier aufhalten, werden Sie uns auch nicht sehen."
    „Ich werde Sie nicht sehen", wiederholte die
Schwester gehorsam, fast wie ein Gebet. „Ich werde Sie nicht sehen." Nun
gab Vicki sie ein weiteres Mal frei; die Frau stolperte zur Seite und sank auf
einen Stuhl. Einen Herzschlag später fand sie sich allein im Schwesternzimmer
und war der festen Überzeugung, daß sie die ganze Zeit über allein gewesen war.
Leicht verwirrt starrte sie auf das braune Fläschchen in ihrer Hand und fragte
sich, ob es denn überhaupt angehen konnte, bei vollem Bewußtsein zu träumen,
einen Alptraum zu haben.
    „Fast hätte ich sie umgebracht." Der Hunger lehnte
sich empört gegen seine Fesseln auf, und Vicki unterdrückte ihn, fest entschlossen,
ein fast körperlich schmerzhaftes Gefühl, etwas Wichtiges nicht beendet zu
haben.
    „Ich weiß".
    „Warum hast du dann nicht versucht, mich
aufzuhalten?"

„Das war doch nicht notwendig, oder?" Henry warf
einen Blick über Vickis Schulter; beide Vampire standen im Flur neben dem
Operationssaal, und Vicki blätterte in einem Berichtsheft, das sie im
Schwesternzimmer gefunden hatte. Da, wo sie standen, waren sie von allen
anderen Bewohnern des Gebäudes vergleichsweise weit entfernt. „Ich muß mich
einfach auf das verlassen können, was ich dir beigebracht habe, denn sonst
hätte die ganze Ausbildung ja überhaupt keinen Sinn gehabt."
    Vicki wandte den Kopf, um das

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