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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blood Ties 05 - Blutschuld
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Kleiderschrank
verbracht hatte, war der Tag unmittelbar nach dem Tod und dem Verschwinden von
Vickis Mutter gewesen. Auch damals hatte er, wie jetzt, seinen Aufenthalt so
risikoarm wie möglich gestaltet.
    Plötzlich mußte Henry die Stirn runzeln. Er fragte sich,
wann er überhaupt zum letzten Mal ein Risiko eingegangen war.
    Er war Vampir.
    Nachtwandler.
    Fürst der Finsternis.
    Warum kam ihm sein Leben mit einem Mal so völlig normal
vor, so sehr wie das eines Ottonormalverbrauchers?
    Jedes Risiko, das er in den letzten Jahren eingegangen
war, ließ sich direkt zu Vicki Nelson zurückverfolgen.

Die Bettwäsche war gewechselt worden, aber trotzdem roch
es im ganzen Zimmer nach Henry. Vickis Instinkt sträubte sich gegen diesen Geruch,
aber gegen den Instinkt stand die unbedingte Notwendigkeit, vor dem Tag Schutz
zu suchen, und letztlich siegte die Vernunft, obwohl Vickis Hände zitterten, als
sie die Tür hinter sich verriegelte. Sie verbrachte nicht zum ersten Mal eine
Nacht im Unterschlupf eines anderen Vampirs, aber ihre letzte Erfahrung dieser
Art hatte sich unmittelbar an den Einsatz einer Sonnenbank angeschlossen, mit
deren Hilfe Vicki die Vorbesitzerin des betreffenden Unterschlupfs in ein
Häufchen verkohlter Knochen und eine Handvoll Asche verwandelt hatte. Richtig
vergleichen ließen sich die beiden Dinge wohl kaum.
    Die Erinnerungen, die Henrys Duft in Vicki weckten, lagen
im Widerstreit mit den Reaktionen, die ihre - ihrer beider - Natur vorschrieb.
Sie versuchte, ihre Natur zufriedenzustellen, indem sie Henrys Schlafzimmer
einer gründlichen Untersuchung unterzog.
    „Was habe ich gesagt?" Mit Mühe dämpfte Vicki ihre
Stimme - welchen Sinn hatte es schon, das eigene Unterbewußtsein anzuschreien?
„Keiner da! Niemand lauert im Schrank, auch nicht der winzigkleinste
Widersacher hat sich in einer Schublade versteckt. Auch unter dem Bett
niemand."
    Der Sonnenaufgang streckte seine Fühler nach ihr aus, und
Vicki schlug die Bettdecke zurück und schlüpfte zwischen die Laken. Sie
lauschte dem beruhigenden Lärm von Cellucis Herzschlag und ...
    Celluci schlief tief und fest bis kurz nach elf Uhr und
blieb danach noch eine Stunde liegen, einfach nur, weil es möglich war. Henry
Fitzroy hin oder her: Der Detective hatte Urlaub. Als er dann endlich aufstand,
brummte sein Schädel, und sein Körper schmerzte an Stellen, die er nie zuvor
bewußt wahrgenommen hatte. Scheinbar hatte das bequeme Bett den Schäden, die er
sich in nächtelanger Folter auf der Straße zugezogen hatte, Gelegenheit
geboten, sich endlich bemerkbar zu machen.
    Nach einer langen und heißen Dusche ging es ihm schon
besser.
    Der Anblick der Kaffeemaschine mit dazugehörigem Kaffee -
beides stand auf dem Kühlschrank — munterte ihn zusätzlich auf.
    „Sie wollen Nordamerika in die Knie zwingen?" brummte
er vergnügt, während sich in der Küche köstlicher Duft ausbreitete. „Ganz
einfach:

Man muß nur Juan Valdez entführen und vielleicht noch ein
oder zwei andere kolumbianische Kaffeebarone dazu."
    Celluci füllte sich einen Kaffeebecher, den das Emblem
eines Radiosenders aus Seattle zierte, nahm den Stapel alter Zeitungen aus dem
Altpapiercontainer und trug alles zusammen ins Wohnzimmer, um es sich in einem
der beiden riesigen Ledersessel bequem zu machen.
    Je eher sie den Geist loswurden, desto eher konnten Vicki
und er wirklich Urlaub machen. Oder zumindest heimfahren.
    „Wo ein Gespenst ist", murmelte Celluci nachdenklich
vor sich hin und breitete eine erste Zeitung aus, „da muß doch auch irgendwo
eine Leiche sein."
    Zedernholz?
    Henry brauchte einen Moment, um sich zu erinnern, wo er
sich befand. Als es ihm einfiel, verzog er das Gesicht. Bislang hatte er
Zedernduft immer gern gerochen. „Kein Wunder, daß sich die Motten von dem Zeug
fernhalten!"
    Ihm waren im Schlaf keine neuen Erkenntnisse gekommen. Der
menschliche Verstand kann zwar schlafend über mögliche Problemlösungen
stolpern, aber Vampire, vor denen schließlich die Ewigkeit liegt, sind
gezwungen, sich Nacht für Nacht ihren Problemen direkt zu stellen. Tagsüber
schaltet sich ihr Unterbewußtsein aus - wie alles andere auch.
    Noch bevor sich Henry aus den Falten des
Verdunkelungsvorhangs hatte befreien können, wußte er, daß sein Problem
unverändert weiterbestand. Die Erkenntnis traf ihn mit voller Wucht, und voll
hilfloser Wut sprang er mit einem Satz aus dem Bett und zog vehement an der
Schnur, mit der man die Deckenleuchte im Schrank einschaltete.
    Auf

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