Huff, Tanya
nun, zwei Männer, die zusammengekommen
waren, weil sie gemeinsame Freunde hatten, und der größte Unterschied zwischen
ihnen war eigentlich die Altersdifferenz. Sie konnten sich sogar
freundschaftlich darüber streiten, was für einen Belag ihre Pizza haben sollte.
Sie hatten die übergroße, mit einer doppelten Käsemenge,
Pilzen, Tomaten und Peperoni belegte Pizza zur Hälfte verzehrt, als Mike sich
zurücklehnte und sich Tomatensauce vom Kinn wischte. „Nun? Sagst du mir, was
mit dir los ist?"
„Nichts ist..." Tonys halbherziger Protest blieb in
der Luft hängen. Er sah Celluci an, daß dieser ihm ohnehin nicht glaubte. „Sie
würden es nicht verstehen."
„Tony, wenn es um Henry geht, dann stehen die Chancen
nicht schlecht, daß ich der einzige Mensch auf der Welt bin, der dich
versteht."
„Ja, kann schon sein." Tony kaute, schluckte und
wußte nicht genau, ob er lediglich Zeit schinden wollte, um zu überlegen, wie
er sich ausdrücken sollte oder ob er der Frage an sich aus dem Weg gehen
wollte. Er spürte, daß Celluci auf eine Antwort wartete. Nicht ungeduldig,
aber doch so, als wolle er wirklich wissen, was den Jüngeren bedrückte. Nach
einer Weile legte Tony sein halb gegessenes Pizzastück aus der Hand und wischte
sich Fett von den Fingern. „Das bleibt unter uns?"
„Wenn du möchtest."
Tony ließ noch ein paar Minuten verstreichen, in denen
Mike erwartungsvoll schwieg, und seufzte dann. „Als ich Henry kennenlernte,
war ich niemand, und wenn es ihn nicht gegeben hätte, wäre ich auch heute nicht
der, der ich jetzt bin. Er hat dafür gesorgt, daß ich wieder zur Schule gehe und
meinen Abschluß mache, einfach nur weil er, nun, weil er geglaubt hat, ich
könne das und ..." Tony pulte mit dem Finger ein kaltes Käsestück vom
Teig. „Das hört sich ziemlich blöd an."
„Nein." Celluci schüttelte den Kopf und erinnerte
sich, wie er selbst mehr als einmal plötzlich in Gleichschritt mit Henry
Fitzroy verfallen war. „Das kleine Arschloch hat so eine Art, dafür zu sorgen,
daß man seinen Erwartungen gerecht wird."
„Ja, genau, das ist es. Er erwartet einfach." Tony
zerlegte seine Serviette in winzige fettige Stückchen und fuhr dann fort: „Das
Problem ist nur, daß er mich als Person bei diesen Erwartungen manchmal gar
nicht wahrnimmt. Ich meine, er hat es sich nicht ausgesucht, sich mir
gegenüber zu erkennen zu geben; Vicki hat mich ihm mehr oder weniger einfach in
den Schoß geworfen, und er hat mir gegenüber nie das empfunden, was er ihr
gegenüber empfand." Dann erinnerte sich Tony, wer sein Gesprächspartner
war, und errötete. „Tut mir leid."
„Schon gut, ich weiß, was er empfunden hat." Aber
Vicki ist Teil meines Lebens, fügte Celluci selbstgefällig bei sich hinzu,
nicht seines. „Mir scheint, es wird Zeit, daß du losziehst und dir ein eigenes
Leben aufbaust."
„Vielleicht." Tony hob den Kopf und sah Mike direkt
in die Augen. „Aber wie kann man einen wie Henry einfach verlassen?"
Vicki ließ sich vom Taxifahrer vor dem Sylvia Hotel an der
English Bay absetzen. Ihre Erinnerung an die drei Nächte, die sie mit Henry in
dem von Weinreben bewachsenen Viktorianischen Gebäude verbracht hatte, um zu
lernen, wie man eine Welt für sich nutzt, deren Teil man nicht mehr ist,
gehörte zu den wenigen nicht blutgetränkten Bildern, die ihr aus ihrer
„Kindheit" in Vancouver im Gedächtnis geblieben war. Sie blieb einen
Augenblick lang vor dem Haus stehen und erinnerte sich daran, wie Henry sie
überleben gelehrt hatte; dann ging sie die zwei Straßenzüge hinüber zur Denman
Street.
Die Denman verlief quer durch das Westend Vancouvers,
ziemlich genau von Südwesten nach Nordwesten. Sie war Fußgängerzone, eine wunderschöne
Flaniermeile - und somit erstklassiges Jagdgebiet.
Es hatte aufgehört zu regnen, und die hellerleuchteten
Straßencafe's, deren Markisen immer noch ein wenig feucht glänzten, füllten
sich. Regen störte die Bewohner Vancouvers wenig - was sinnvoll war, da es
sehr häufig regnete -, und ihre Cafes bedeuteten ihnen viel. Vicki ließ ihren
Blick über die Menschenmassen gleiten; da drängten sich die Jungen und
Topmodischen Seite an Seite mit den nicht mehr ganz so
Jungen und trotzdem immer noch Modischen, und alle strahlten etwas Sportliches
und Gesundheitsbewußtes aus. Wie anders war da doch der eher finstere Punklook,
den das modische Toronto derzeit bevorzugte! Hier sah trotz der späten Stunde
ein jeder so aus, als plane er, nach dem Cappuccino
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