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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blood Ties 05 - Blutschuld
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einen Jungen zu." Henry hielt einen Teil seiner Aufmerksamkeit
weiterhin auf Vicki gerichtet, ging durchs Zimmer und kniete sich neben Tony.
Die Dinge zwischen ihm und dem jungen Mann mochten dabei sein, sich zu ändern -
gut, sie hatten sich bereits geändert -, aber doch nicht so sehr,

daß es Henry daran gehindert hätte, seinen Trost
anzubieten. „Vielleicht war er es ja gar nicht."
    „Er war es."
    „Bist du sicher?"
    Tony war sich so sicher wie nur je in seinem ganzen Leben.
Es hätte ihn nicht einmal gewundert, wenn Henry berichtet hätte, der Totenkopf
habe in den Schrei der Geister eingestimmt. „Ja. Ganz sicher. Er verabschiedete
sich gegenüber vom Laden, auf der anderen Straßenseite, von einem Kumpel. Sie
gaben einander die Hand. Deswegen erinnere ich mich daran. Wenn man auf der
Straße lebt, wird einem nicht oft die Hand geschüttelt." Aus irgendeinem
Grund mochte er nicht erzählen, daß der Totenkopf ihn angegrinst hatte. Die
beiden Vampire hatten bestimmt schon merkwürdigere Dinge gesehen und erlebt -
sie waren ja selbst merkwürdiger als jeder grinsende Totenkopf, und so standen
die Chancen gut, daß sie ihm geglaubt hätten. Aber die ganze Sache war einfach
zu unheimlich gewesen, und von unheimlichen Dingen hatte Tony in dieser Nacht
genug gehabt.
    „Meinst du, du könntest diesen Kumpel ausfindig
machen?" fragte Vicki, ehe Henry etwas sagen konnte.
    „Ich weiß nicht." Tony hob den Kopf. „Ich glaube
schon, daß ich ihn wiedererkennen würde, wenn ich ihn sehe. Meinst du, er weiß,
wohin der - wohin der Tote gegangen ist?"
    „Ich glaube, es wäre einen Versuch wert, ihn zu
fragen."
    „Wenn dir das zu schmerzlich ist", hob Henry an und
legte Tony die Hand auf die Schulter, „dann brauchst du nicht..."
    „Aber ich werde." Tony rutschte auf seinem Stuhl
herum und sah Henry direkt in die Augen. „Ich muß einfach irgend etwas tun.
Ich kann nicht nur herumsitzen und hoffen, daß die ganze Sache von allein
vorbeigeht."
    Vicki fühlte den Bezug der Couch unter ihren Fingern
reißen und zwang sich, die Hand zu entspannen. Der Anblick von Henry auf Knien
hatte sie immer schon schwer beeindruckt. Vielleicht jagen wir deswegen allein,
dachte sie, als Henry aufstand und Tony sanft über die Wange strich. Wenn wir
zusammen sind, werden wir ständig daran erinnert, daß uns die berauschende
Intimität, die wir vor dem Kuß miteinander teilten, nun für immer verwehrt
bleibt. Dann sieht man in jedem anderen Vampir den ehemaligen Liebhaber. „Ich
störe ja ungern die zarte Idylle", zischte sie, erschrak selbst über ihren
Ton und versuchte, ihn zu mildern. „Aber die Nacht ist kurz, und wir haben viel
zu tun."

„Ist das so?" Henry ließ die Hand wieder sinken.
    „In dieser Stadt leben fast drei Millionen Menschen,
Henry, und Tony kann sich nicht so bewegen, nicht so agieren wie du."
    „Ich gehe mit ihm."
    „Ist das klug?"
    „Ich möchte ihn im Augenblick nicht allein lassen."
    „He! Ich bin nicht allein!" Tony atmete mühsam aus,
stand auf und starrte die beiden wütend an. „Ich hasse diesen ganzen
Ich-weiß-es-besser-denn-ich-bin-eine-untote-Kreatur-der-Nacht-Scheiß wirklich
und wahrhaftig. Ihr könnt euch beide verdammt noch mal einfach abregen! Ich
gehe zurück in mein Zimmer und ziehe mir was an, was mehr nach Straße aussieht,
und wenn du", damit richtete er einen anklagenden Finger auf Henry,
„mitkommen willst, um den Kumpel des neuen Geists zu finden, dann ist das in
Ordnung. Ich kann deine Hilfe brauchen. Wenn nicht..."
    „Wir machen uns doch nur Sorgen um dich, Tony!"
    Tony seufzte und verdrehte die Augen. „Gut. Danke. Habe
ich etwas anderes behauptet?" Damit verließ er die Wohnung, die Schultern
hochgezogen, die Hände in die Vordertaschen seiner Jeans vergraben und immer
noch vor sich hin murmelnd.
    Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, senkte
sich peinliches Schweigen über das Zimmer.
    „Na ja", murmelte Vicki nach einer ganzen Weile. „Um
einen meiner Soziologieprofessoren von damals zu zitieren: Der Wandel ist
immerwährend."
    „Nur für uns nicht. Wir ändern uns nie."
    „Das ist doch Schwachsinn, Henry, und noch dazu
melodramatischer. Du wandelst dich, oder du stirbst."
    Oder du stirbst. Die Imperative der Revierverteidigung
brachen durch die zivile Oberfläche, die die beiden zwischen sich
aufrechterhalten hatten. Henrys Augen schimmerten finster, seine Stimme klang
eiskalt. „Willst du mir etwa drohen?"
    Vicki spürte, daß sie auf diese

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