Huff, Tanya
den Verbindungsgang zum Neubau hindurch, bis in die Zuflucht
ihres eigenen Büros hinein. Auch als sie sich längst auf ihrem alten hölzernen
Schreibtischstuhl in Sicherheit gebracht hatte, vermein te sie noch, das Echo ihrer Schritte zu hören und begriff erst nach
einer Weile, daß sie ihrem eigenen, rasenden Herzschlag lauschte.
Wie du dich anstellst! schalt
sie sich und stemmte beide Handflächen fest auf die
Schreibtischplatte. Einmal tief durchatmen, und dann hör auf,
so überzureagieren. Marjory Nelson war herzkrank und hatte sich in Dr.
Burkes unmittelbarer Nähe befunden; die ideale Kandidatin also für die
anstehende nächste Phase der Experimente. Sie hatten ihre Hirnströ me
aufgezeichnet, Gewebeproben entnommen, Bakterien speziell auf ihre DNA
zugeschnitten; alles in Erwartung ihres Todes. Oder besser gesagt: in Erwartung
der Möglichkeit, diesen Tod ungeschehen machen zu kön nen.
Marjory hatte nicht gewußt, was ihre Chefin und deren Helfer trieben; sie
hatte sich den Tests unterzogen, weil man ihr gesagt hatte, sie würden ihr helfen. Sie
war nach Plan gestorben.
Genau nach Plan. Dr. Burke holte noch einmal tief Luft.
So war alles schnell und schmerzlos gegangen - was es sonst unter Umständen
nicht gewesen wäre. Da Dr. Burke direkt danebengestanden hatte,
als Marjory zusammenbrach, hatten sie sich über die
Zerstörung von Gewebe, wie sie bei einer Autopsie sicher zutage
getreten wäre, keine Gedanken zu ma chen brauchen.
Dr. Burke straffte die Schultern
und zog die Post, die am Vormittag ein gegangen war, zu sich heran. Sie waren dabei, den Tod zu
besiegen. Ca therine
hatte die Bakterien erschaffen, aber ohne ihre, Dr. Burkes Betei ligung wären sicher Jahre, ja
Jahrzehnte ins Land gegangen, ehe man diese Bakterien ihrer Bestimmung hätte zuführen können.
Erst Dr. Burkes Einsatz hatte eine logische Fortführung von Catherines
Experimen ten ermöglicht,
und nun würde sie die Lorbeeren dafür ernten können.
Wenn
in Marjorys Augen wirklich einen Moment lang ein Erkennen aufgeleuchtet haben sollte, dann bedeutete das,
daß sie bereits jetzt an der
Schwelle zum Erfolg standen, lange bevor das ihren eigenen empiri schen Daten nach eigentlich sein konnte.
Wenn es ein
Erkennen gewesen war, dann ...
Was dann?
Marjory Nelson ist tot, und das tut mir wirklich
aufrichtig leid. Sie war mir eine wichtige Mitarbeiterin, und sie wird
mir sehr fehlen. Geschickt schob Dr. Burke ihren Brieföffner
unter die Lasche eines Umschlags. Der Körper im Labor ist Nummer zehn. Mehr nicht.
„Das habe ich alles schon mit der Polizei besprochen, Ms.
Nelson." Christy Aloman wühlte in den Papieren auf ihrem Schreibtisch. „Ob
ich überhaupt mit Ihnen reden darf, ist mir
gar nicht klar."
„Hat
die Polizei Ihnen denn gesagt, Sie sollten mit niemand anderem sprechen?"
„Nein, aber ..."
„Sie müssen doch zugeben, daß ich mehr als jede andere
das Recht habe, alles zu erfahren!" Vicki spürte, wie sich der
Bleistift tief in den Bal len ihres Zeigefingers bohrte und zwang
sich, die Hand lockerzulassen.
„Ja, aber
..."
„Der
Leichnam meiner Mutter ist aus diesen Räumen gestohlen wor den."
„Ich weiß, aber
..."
„Ich war davon ausgegangen, daß Sie alles in Ihrer Macht
Stehende würden
tun wollen, um zu helfen."
„Das will ich doch auch, das will ich wirklich!" Die Frau
beging den Fehler, Vicki direkt anzusehen
und stellte dann fest, daß sie ihren Blick
nicht mehr abwenden konnte. Sie
verfing sich in graublauen Augen, die aussahen, als habe man sie aus gefrorenem
Stein gehauen; Christy Aloman fühlte sich wieder wie einst in jenem lang
vergangenen Winter, als sie
die Herausforderung ihrer Spielgefährten angenommen und einen eis kalten metallenen Türpfosten mit der Zunge berührt hatte.
Sie kam sich ein wenig albern vor und hatte
gleichzeitig das Gefühl, in der Falle zu sitzen.
„Dann erzählen Sie mir alles, was Ihnen zu Chen
einfällt. Wie er aussah. Was er trug. Wie er sich benahm. Welche
Unterhaltungen Sie mit gehört haben."
„Alles?"
Das war die völlige Kapitulation, und beide Frauen wußten das.
„Alles."
„Zu Lebzeiten hast
du so etwas bestimmt nie getragen!" Catherine zog Nummer neun die
Trainingshose der Queens University über die Hüften. Die
grauschimmernde Haut des Versuchsobjekts glitzerte, denn sie war gerade
mit Östrogengel massiert worden. „Du warst zwar in ziemlich gu ter
Verfassung, wenn man die Umstände in Betracht zieht, aber wie ein Sportler hast du
wirklich
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