Huff, Tanya
bedienen. Hin ter sich hörte er Vicki „Angeber" murmeln. Das mit dem Vorhang war eine gute Idee. Bei dem Baseballschläger war er
sich da nicht so sicher, obwohl die
Vorstellung, bewußtlos geschlagen zu werden, zumindest als abstrakte Idee etwas
bestechend Einfaches, Brutales in sich barg. Unterm Strich ging er immer
noch davon aus, daß Vickis Gegenwart allein ausreichen würde, ihn daran zu
erinnern, daß er ja gar nicht sterben
wollte.
Er stieg vom Stuhl und zog den Vorhang zurecht. Dieser war etwa einen Meter länger als die Tür und ähnelte zumindest seiner Form nach den Wandbehängen in seinem alten Schlafgemach in Sheriffhuton, die
dort gehangen hatten, um die Zugluft abzuhalten. Man
konnte nur hoffen, daß der Vorhang hier seiner Aufgabe besser gerecht
wurde.
Vicki hatte den Schläger auf Henrys Kommode gelegt, wo er nun auf dem dunklen alten Holz lag und matt vor sich hin schimmerte wie ein
moderner Streitkolben, der auf die Hand eines Kriegers aus dem 21. Jahrhundert wartete. Am Hof seines Vaters
hatte es einen Lord gegeben, einen Schotten, wenn ihn sein Gedächtnis
nicht trog, dessen bevorzugte Waffe der Streitkolben gewesen war. Kurz nach
Henrys Einsetzung ins Amt des Herzogs von Richmond hatte er mit
vor Staunen offenem Mund dabei zugesehen, wie der Mann - es konn te eigentlich nur ein Schotte gewesen sein - eine schwere Holztür zu Kleinholz verarbeitete und drei dahinter stehende Männer mit ebenso
leichter Hand niedermähte. Selbst seine Majestät war beein druckt gewesen, hatte mit fleischiger Hand
begeistert der mageren Schulter
seines unehelichen Sohnes einen herzhaften Schlag versetzt und fröhlich verkündet: „So etwas ist bei einem
Schwert einfach nicht drin,
Junge!"
Sein königlicher Vater und der Lord, an den er sich jetzt kaum noch
erinnerte, waren schon lange zu Staub zerfallen, und mochte auch der Streitkolben zweifellos noch über irgendeinem schottischen Tieflandkamin
hängen, mitten unter Hirschgeweihen und Zweihän dern, war es doch aller Wahrscheinlichkeit Jahrhunderte her, daß jemand ihn im Kampf geschwungen hatte.
Gedankenverloren fuhr Henry mit einem Finger am glatten, kühlen Aluminium
entlang.
„Was muß ich
für deine Gedanken bieten?"
Er konnte spüren, daß Vicki unsicher war, auch wenn sie sich nach außen hin ganz anders gab. Er meinte, ihre Gedanken förmlich zu hören: Was
soll ich denn machen, wenn er beschließt, den Schläger wegzuwerfen? Oder, so wie er Vicki kannte, wohl eher: Wenn ich ihn in die Nieren trete, läßt er dann wohl den
Schläger los? „Ich habe gerade
überlegt", erklärte er dann, „wie sehr sich das Kämpfen verändert hat.
Jetzt gibt es dafür hochstilisierte Rituale, und zwar für jede Jahreszeit
jeweils andere."
Sie zog ihre Brauen so hoch, daß sie über die oberen Brillenränder ragten. „Es
gibt noch genug richtige Schlachten", sagte sie.
„Das weiß ich." Henry breitete die Hände aus und suchte nach den
Worten, die ihr helfen würden, den Unterschied zu verstehen. „Aber die
Wirklichkeit scheint Ehre und Ruhm nicht mehr zu kennen - die gibt es nur noch im sportlichen Wettkampf."
„Ich gebe ja
zu, daß wenig Ehre und noch weniger Ruhm damit verbunden ist, wenn dir ein Motorradrocker mit der Fahrradkette den Kopf einschlägt oder in einer Seitenstraße ein
Junkie mit dem Messer auf dich
losgeht oder sogar, wenn du dich mit deinem Gummiknüppel gegen einen
Betrunkenen zur Wehr setzen mußt. Aber du wirst lange brauchen, um mich zu überzeugen, daß Ruhm und Ehre je mit Gewaltanwendungen irgendwelcher Art
einhergingen."
„Es ging nicht um die Gewalt", wehrte er
sich. „Es ging um ..."
„Den Sieg?"
„Auch nicht, aber zumindest wußte man immer, wann man gesiegt hatte."
„Vielleicht haben wir deswegen Ruhm und Ehre lieber in den Be reich der
Spiele verwiesen: Da kann man einen Sieg erringen, ohne einen unappetitlichen Leichenhaufen zu hinterlassen."
Henry
runzelte die Stirn. „So habe ich es eigentlich nie gesehen."
„Ich weiß." Vicki duckte sich unter dem Vorhang durch und ging auf den Flur.
„Ruhm und Ehre bedeuten herzlich wenig, wenn man zu den Verlierern gehört. Prinz oder Vampir - du warst doch immer auf
der Gewinnerseite."
„Auf welcher Seite stehst du?" frage er ein wenig mürrisch und folgte ihr. Sie hatte alles, was er sagen wollte, gar nicht so sehr ein fach nur mißverstanden: Sie hatte das ganze Gespräche in eine andere
Richtung gelenkt.
„Auf der Seite
von Wahrheit, Gerechtigkeit und
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