Human
deutete Whispr aufgeregt auf eine Familie von Großkatzen, die sich im kühlen Schatten der Felsen ausruhte.
»Sieh mal, noch mehr Säbelzahntiger!«
Ingrid hatte ihr Kommunikationsgerät hervorgeholt und studierte die Anzeige. »Das sind Homotheriums , keine Smilodons . Krummsäbelzahn passt deutlich besser zu ihnen, da die tödlichen Hauer stärker nach hinten geschwungen sind.« Sie ließ die Einheit sinken und musterte die dösenden Fleischfresser. »Interessant, dass das Fell der Smilodons wie das von Leoparden gefleckt ist, während diese hier lohfarben und glatt wie Löwen sind.« Sie sah erneut auf das Gerät. »Hier steht, das liegt daran, dass Säbelzahntiger aus dem Hinterhalt jagen, während diese hier über große Entfernungen laufen.«
»Da sind auch Junge«, meinte ihr Begleiter mit leicht spöttischem Unterton.
Diese Enthüllung ließ Ingrids Interesse an der wissenschaftlichen Nomenklatur vorerst in den Hintergrund treten. Während das Männchen und das Weibchen schliefen, spielten ihre drei Jungen im Gras, rollten sich herum, tobten und rangelten wie kleine Kätzchen. Vor Langeweile griffen zwei von ihnen einen jungen Glyptodont an, der sich ein Stück von der langsam weiterwandernden Herde entfernt hatte, und forderten ihn heraus. Er reagierte darauf, indem er sich auf den Boden legte und den Kopf in seinen riesigen, kesselartigen Panzer zog. Die Dornen an der Spitze seines keulenartigen Schwanzes waren zwar noch nicht ausgewachsen, schienen aber lang genug zu sein, um einem der Jungen ein Bein zu brechen – oder ihm den Schädel einzuschlagen –, falls sie ihm zu nahe kamen.
Als sie das gefährliche Spiel bemerkte, hob das Homotherium-Weibchen den Kopf, knurrte einmal warnend und gähnte, wobei sie ihre riesigen zackigen Zähne entblößte. Daraufhin rannten die Jungen sofort zu ihr zurück.
Die beiden Namerikaner saßen da und beobachteten alles, bis ein Piepen ihres Reiseführers ihnen noch deutlicher, als es Ingrid gekonnt hätte, zu verstehen gab, dass sie sich auf den Rückweg machen mussten. Das Gerät, das automatisch die Zeit berechnete, die sie von ihrer aktuellen Position für den Rückweg benötigten, erinnerte sie daran, dass sie die Fahrt zum Lager nun antreten mussten, damit sie sich nicht nach Anbruch der Nacht noch außerhalb der Sicherheitszäune aufhielten. Falls es ihnen nicht gelang, rechtzeitig zurückzukommen, würde die Einheit automatisch die hohe Strafgebühr erheben und einziehen und die Parkranger darüber informieren, wo sie sich gerade aufhielten.
Das Letzte, was Ingrid und Whispr wollten, war, dass die hiesigen Behörden auf ihre gefälschte Identität aufmerksam wurden, daher fuhren sie rasch den Weg zurück, den sie gekommen waren. Dieses Mal war es jedoch die Ärztin, die nur ungern aufbrach. Sie wäre am liebsten an Ort und Stelle geblieben und hätte die Homotherium-Familie den ganzen Abend beobachtet. Selbst als alle Tiere eingeschlafen waren und reglos dalagen, konnte sie ihren Blick kaum von deren anmutigen Gestalten abwenden.
»Tja«, murmelte Whispr, als sich das Allradfahrzeug mit dem schweren, ungepflasterten Weg abmühte, den er gewählt hatte, »hat es sich nun gelohnt, vom Fluss wegzufahren, oder nicht?«
Sie machte eine theatralische Verbeugung in seine Richtung. »Ich muss zugeben, dass deine Entscheidung richtig war«, gestand sie. »Ich hätte wissen müssen, dass ich dir trauen kann, wenn es darum geht, sich an neuen Orten zurechtzufinden. Mein Fehler. Ich hatte geglaubt, deine Fachkenntnisse würden sich nur auf städtische Gebiete erstrecken.«
»Es war nichts als gesunder Menschenverstand, von den viel befahrenen Wegen abzuweichen.« Da er nicht an falsche Bescheidenheit glaubte, nahm er ihr Kompliment bereitwillig an. »Menschen haben gern ihre Privatsphäre, und den meisten Tieren geht es genauso. Ich dachte mir schon, dass wir uns von allen anderen entfernen müssen, wenn wir etwas Einzigartiges sehen wollen. Denk daran, dass wir den Smilodons auch begegnet sind, als niemand sonst in der Nähe war.« Dann schwieg er einen Moment und dachte nach. »Ich frage mich nur, was sie mit ihren verpfuschten Wiederbelebungen machen.«
Sie runzelte die Stirn. »Welchen ›verpfuschten‹?«
»Na ja.« Er wurde langsamer, als ihr Wagen einen Abhang hinaufkroch. Ohne einen Leitstreifen in der Straßenmitte versuchten die eingebauten Sensoren, den Fahrer zu unterstützen, indem sie den Rädern entsprechend ihrer Position zum Boden mehr
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