Hummeldumm
schien. Der Wind war ein Zyniker und pustete mir Bahees Worte direkt in mein leeres Herz: »Dann wollen wir hier mal alle zusammen anstoßen auf die Mitte von unsere schöne Reise und auf eine tolle Abend und diese super Stimmung hier. Ach ... wo ist Matze denn?«
»Der wird schon noch kommen«, antwortete Sina seltsam entspannt.
Vielleicht ja auch nicht.
Leise schloss ich die Zelttür.
Ich schulterte meinen rosa Rucksack und schnappte mir die Flasche Hauswein auf dem Beistelltischchen samt Offner. Ich hatte die Rezeption schon passiert, als ich das erste Mal auf das Etikett schaute: Es war ein 2007er Shiraz Allesverloren.
26
Die namibische Nacht kam und brachte ihre besten Freunde mit: die Stille und die Kälte. Hämisch hing der Mond über dem Land, irgendwo bellte ein Hund. Seit einer halben Flasche Wein saß ich nun an der Straße und wartete. Ein einziges Auto hatte bisher angehalten: Drin saßen zwei Lodge-Angestellte, die mich auslachten, als ich sie fragte, ob sie mich zum Flughafen nach Windhoek fahren würden. Ihr sicher nett gemeintes Angebot, mich und meinen rosa Rucksack die fünfhundert Meter zur Lodge zurückzubringen, lehnte ich dankend ab.
Apathisch blickte ich in den Mond und ließ die Gedanken kreisen. Vor fast sieben Jahren hatte ich die schöne Frau mit den glatten schwarzen Haaren das erste Mal gesehen. Vor dem Weihnachtsmarkt am Kölner Rudolfplatz hatte sie, ebenso frierend wie ich, auf ihre Freundin Eva gewartet. Und ich auf Friedemann. Wir guckten hier und guckten da und schickten Simse, und irgendwann guckten wir dann auch einmal auf uns, wie wir so verlassen dastanden, und irgendwann fragte Sina mich grinsend, ob ich auch so unzuverlässige Freunde hätte wie sie. »Sieht fast so aus«, sagte ich. Als Eva und Friedemann nach einer Viertelstunde immer noch nicht gekommen waren, beschlossen wir, einen zusammen zu trinken, statt blöd neben dem Weihnachtsmarkt zu frieren. Wir tranken gleich zwei Glühweine, und aßen Mandeln dazu. Die Hälfte unseres Gesprächs bestand aus Sätzen wie Also wenn du deine Freundin noch mal anrufen willst< und >Wir können ja noch mal zum Eingang schauen, vielleicht ist doch schon einer da<. Aber irgendwie wollte keiner von uns gehen, und als Sinas Freundin schließlich doch auftauchte, versteckten wir uns kichernd hinter dem Glühweinstand.
Wir tauschten Telefonnummern aus, für den Fall, dass unsere Freunde uns mal wieder versetzten, denn dann könnten wir uns gleich anrufen und was trinken gehen. >Dann< war noch am selben Abend. Beim nächstbesten Italiener aßen wir Spaghetti Bolognese. Eine Woche später waren wir ein Paar, und natürlich feiern wir bis heute unseren Jahrestag an genau diesem Glühweinstand, und natürlich ist es Sina, die jedes Mal sagen muss: >Na, sind deine Freunde auch so unzuverlässig?<, und ich: >Sieht fast so aus!<
Sieben Jahre sind vergangen, Jahre, in denen eigentlich alles gut war: Wir liebten uns und machten Pläne: eine eigene Wohnung vielleicht, per Auto durch Afrika, Kinder vielleicht ...
Seufzend nahm ich einen Schluck Wein, starrte in den Wüstensand und ließ die Erinnerungen hingehen, wo sie wollten. Sie wollten alle zu Sina. Ich sah noch einmal, wie ich Sina stolz meinen Freunden vorstellte und so aufgeregt war dabei, dass mir gleich zwei Namen nicht mehr einfallen wollten. Ich sah Sina, wie sie fröhlich ihre Umzugskartons auspackte bei mir und wie sie jeden Tag ein weiteres Detail meiner Singlewohnung rosa einfärbte oder umdekorierte. Ich erinnerte mich an unseren ersten gemeinsamen Urlaub auf Mallorca, wo wir eine winzige Finca gemietet hatten, und musste schmunzeln, als ich daran dachte, wie wir ohne Spaghetti und Hackfleisch die Spaghetti Bolognese vom Weihnachtsmarktabend nachkochen wollten. »Du wolltest dich um das Essen kümmern, ich mich um den Wein«, flüsterte ich leise zu mir selbst, und der Mond lachte spöttisch.
Und all dies wollte ich nun einfach so aufgeben wegen einem Langweiler, der Kevin Schnabel hieß? Was war denn, wenn Sina mich nur neckte, so wie Breitling sagte? Was, wenn sie mich gar nicht betrogen hatte, sondern einfach nur mit ihm flirtete, um mich zu ärgern? Ich würde ganz schön' bescheuert dastehen, wenn ich mich hier einfach so aus dem roten Staub machte wegen nichts. Doch dann fiel meine Blitzeuphorie in sich zusammen wie ein Dosenturm auf der Kirmes. Was, wenn doch was lief zwischen den beiden? Dann wäre ich ein ganz schöner Idiot, wenn ich bliebe. Seufzend zog ich
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