Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hummeldumm

Hummeldumm

Titel: Hummeldumm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
Vom Netzwerk:
den Reißverschluss meiner Thermojacke nach oben. Kalt war es geworden, und ein Auto war immer noch nicht zu sehen.
    Die Weinflasche war auch fast leer. Mit einem Mal wusste ich, dass ich gar kein Auto zum Flughafen brauchte. Was ich brauchte, war Gewissheit! Entschlossen trank ich den letzten Schluck Alles-verloren, stand auf und rollte leicht shirazbekopft meinen Rucksack zurück zur Lodge. Wo Schnabels Zelthaus war, wusste ich ja schon.
     

27
    Der Fitnessraum eines Hotels war vermutlich schwächer ausgestattet als Schnabels Veranda: Neben einer schwarzen Gymnastikmatte fand ich einen langen dehnbaren Gummistreifen, Handschuhe ohne Finger sowie drei verschieden schwere Kurzhanteln in den Farben Gelb, Grün und Rot.
    Kopfschüttelnd zog ich den Reißverschluss zum Zimmer auf und trat ein. Auch im fahlen Mondlicht sah ich: Schnabels Zelt war identisch geschnitten wie meines, und auch der Kleiderschrank war an der gleichen Stelle: direkt neben dem Bett. Drinnen roch es nach warmer, ungewaschener Sportwäsche, Pressholz und Insektenvernichtungsmittel. Mir war's egal, solange ich endlich erfahren würde, woran ich war: Jetzt waren Gewissheiten angesagt und keine vagen Vermutungen, selbst wenn ich dazu den Kleiderschrankklassiker bemühen musste.
    Sollte Sina tatsächlich vor meinen Augen herumschnäbeln, dann konnte ich mir wenigstens gleich einen würdevollen Abgang verschaffen. Ihr >Matze, also wenn du mir so was zutraust, dann brauchen wir gar nicht mehr reden! < vom Nachmittag schoss mir noch einmal durch den Kopf. Ich würde es in jedem Fall gegen sie verwenden, sollte sich mein Verdacht bestätigen. Dann würden wir aber reden! Ich legte mir Sätze für einen effektvollen Auftritt parat. Sätze wie: >Ich nehme an, damit hat sich die neue Wohnung erledigt?< und >Soll ich deine Sachen einlagern, oder holt sie der 1011. des Ironman Hawaii ab?<
    Ich musste nicht lange schmoren in meinem Schrank: Nach wenigen Minuten ging das Licht an, und Schnabel betrat das Zimmer. Vorsichtig zog ich die Schranktür so weit zu, dass ich nur noch einen kleinen Spalt der Sitzecke überblicken konnte. Schnabel seufzte ein melancholisches »Ach ja ...« und schaltete den Fernseher auf Pro7, wo gerade Schlag den Raab lief und ein Sprecher ankündigte, dass Raab als Nächstes Fußball spielen würde in der dritten Runde. Nun verschwand Schnabel im Bad, und kurz darauf summte eine elektrische Zahnbürste. Sina war also nicht gleich mitgekommen, aber damit hatte ich auch nicht gerechnet, denn sooo offensichtlich würden sie es dann ja auch nicht angehen. Sina würde später kommen, um einen vergessenen Pullover oder Fotoapparat vorbeizubringen und dann ausnahmsweise doch ganz kurz ins Zimmer zu huschen auf einen Schluck, und während Schnabel ihr an die Wäsche ging, würde sie so was sagen wie: >Du, ich fühl mich so schlecht, Kevin, normalerweise mache ich so was gar nicht!<
    Und dann, Tataaa, würde ich meinen Auftritt haben!
    Aus dem Fernseher drang eine Sirene, und der Moderator verkündete, dass Raab das Fußballspiel mit 4:3 gewonnen hätte. Im Bad wurde ein Wasserhahn betätigt, und dann kam ein Mann ins Wohnzimmer, wie ich ihn bisher nur von den Calvin-Klein-Unterwäsche-Verpackungen kannte: ein Mann, neben dem sich jeder halbwegs normale Geschlechtsgenosse ausnimmt wie eine behaarte Qualle. >Solche Männer gibt's doch gar nicht< hatte ich immer gescherzt, als ich mit Sina vor ebendiesen Unterwäscheregalen stand und die kleinen Kartons mit den Shorts nach Größe 7 durchsuchte. Erst im afrikanischen Schrank ahnte ich nun, warum Sina nie wirklich mitgelacht hatte: Insgeheim wusste sie schon damals, dass es solche Männer gab, ja, sie wartete nur auf eine Gelegenheit, sich einen zu schnappen. Und so einer Frau hatte ich vertraut!
    Ich ärgerte mich über meine Naivität und über Schnabel, und dennoch konnte ich nicht anders, als auf seinen perfekten Körper zu starren wie ein notgeiler schwuler Spanner. Der Kerl war durchtrainiert bis in die letzte Muskelfaser, und so bemüht ich auch durch den Türspalt spechtete - ich konnte keinen einzigen Makel an ihm entdecken. Der Bauch: astreiner Sixpack. Muskeln: nicht zu viel und nicht zu wenig. Körperhaare hatte er auch keine, ich tippte auf brasilianisches Bikini-Waxing, worüber ich vor kurzem einen Bericht gesehen hatte. Kurz: Ironman Schnabel aus Thüringen war das Referenzmodell des perfekten Mannes, und wenn Sina in dieser Sekunde aufgetaucht wäre, hätte ich ihr vermutlich

Weitere Kostenlose Bücher