Humphrey, ich und Kokolores (German Edition)
heißen!«
»Hüte?«
»Ja, also nicht die Kopfbedeckung. Sondern Hüten. Wie das Hüten von Schafen. Oder eben Haustiere.« Ich bemerkte, dass ich dabei war, mich tiefer in die braune Substanz zu reiten, die ich vorher laut ausgerufen hatte, und konnte dennoch nichts dagegen unternehmen.
»Schafe«, wiederholte der Bebrillte monoton.
»Sind Sie ein Papagei?«, fauchte ich ihn an. »Ja, Schafe. Ach, Mist, ich meine, Schafe haben damit natürlich überhaupt nichts zu tun. Es geht hier ums Behüten.«
»Und uns geht ums Verhüten von Straftaten, junge Frau. Wir müssen Sie bitten, mit aufs Revier zu kommen.«
»Aber das ist doch bloß ein Missverständnis, ein blöder Irrtum. Ich habe kaum geschlafen und es war dunkel, als ich das schrieb«, sprudelte es aus mir heraus, während mir der Schweiß von der Stirn rann.
»'Ich hüte ihre Schafe', soll da stehen. Nicht töte. Ich hab's mit dem Ipad geschrieben, dieses blöde Autokorrektur muss das Wort geändert haben!«
»Schafe.«
»Äh, Tiere. Haustiere.« Ich japste nach Luft.
»Haben Sie getrunken, oder irgendwelche Drogen genommen?«
»Natürlich nicht. Die einzige Droge, die ich an mir trage ist Opium, von diesem Franzosen, dessen Namen ich mir nie merken kann.«
Er drehte sich zu seinem Kollegen um. »Wie hieß noch gleich dieser französische Dealer, den sie letztens am Hauptbahnhof festgenommen haben?«
»Nein, kein Dealer! Er macht Parfums und Mode. Herrgott, leben Sie auf dem Mond?«
Der Polizist sah mich stirnrunzelnd an.
»Sie haben also bis auf dieses Opium keine Drogen zu sich genommen?«
»Ja. Nein! Ich habe überhaupt keine Drogen genommen!«
»Auch kein Opium?«
»Es ist ein Parfum, das Opium heißt!«
»Können Sie mir sagen, wo Sie sich befinden?« Er musterte mich von oben bis unten.
Allmählich verlor ich die Geduld. Das war doch einfach lächerlich. Waren hier irgendwo versteckte Kameras? Hektisch sah ich mich nach allen Seiten um.
»In Wedel.«
»Aber das haben Sie erst gemerkt, als Sie sich umgeschaut haben. Kommen Sie bitte zum Auto mit, wir machen einen Drogenschnelltest.«
»Ich habe mich nur nach Kameras umgeschaut!«, rief ich laut, folgte ihm aber zum Wagen, wo sein Kollege bereits etwas aus dem Handschuhfach holte.
»Kameras?«
»Ja«, seufzte ich laut. »Ich warte darauf, dass hier jeden Moment ein irrer Moderator aus dem Gebüsch springt.«
»Waren oder sind Sie in psychiatrischer Behandlung?«
»Was?«, kreischte ich.
11. Kapitel
Es roch nach Desinfektionsmittel in dem Flur, auf dem ich auf einem harten Plastikstuhl warten musste. Kopfschüttelnd betrachtete ich die gerahmten Bilder an den Wänden. Die meisten zeigten einsame Landschaften. Ich fragte mich, ob das beruhigend auf die Irren wirken sollte, die hier eingesperrt wurden. Geschlossene. Gehört hatte ich davon. Hier strandeten die Selbstmörder und Verzweifelten, Alkoholiker, die irgendwo ausgerastet waren, Leute, die Stimmen hörten.
Und nun saß ich hier, abgeliefert von zwei Polizeibeamten und wartete auf den diensthabenden Arzt, um ihn davon zu überzeugen, dass ich hier nicht hingehörte. Das hörte er vermutlich nicht so oft. Ich spürte Verzweiflung in mir aufsteigen.
Schräg gegenüber befand sich das Dienstzimmer. Durch die Glasscheibe sah ich einen Pfleger, der telefonierte.
Eine Schwester ging den Flur entlang und klopfte an jedes Zimmer. Sie öffnete kurz die Türen und rief ein zu fröhliches Guten Morgen , das mir aus irgendeinem Grund Tränen in die Augen trieb. Ich musste hier raus! Die konnten mich doch nicht hier behalten.
»Frau Reuter?«
Mein Kopf wirbelte herum. Neben mir war ein Arzt aufgetaucht, der mich müde anlächelte. Er war um die vierzig, hatte kurzes schwarzes Haar und dunkelbraune Augen. Er sah eigentlich ganz nett aus und gar nicht so, wie ich mir einen Arzt in der Geschlossenen vorgestellt hatte.
»Ich bin Dr. Obstmann. Kommen Sie bitte mit?«
Ich folgte ihm den Gang entlang in ein Eckbüro, das nach Lavendel duftete.
»Ist ja wie bei Mutters«, bemerkte ich leise.
»Wie bitte?«, fragte er freundlich, als er sich an seinen Schreibtisch setzte. Ich nahm auf einem Korbstuhl davor Platz. »Meine Mutter hat auch so ein Lavendel-Faible«, sagte ich matt.
Er zeigte auf den Duftbaum, der normalerweise in ein Auto gehörte, hier aber an seiner Schreibtischlampe baumelte. »Eine Patientin hat gemeint, sie mache der Klinikgeruch krank.« Er lächelte wieder. »Sie hat einen ganzen Koffer dieser Dinger
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