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Hundejäger töten leise

Hundejäger töten leise

Titel: Hundejäger töten leise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Gute Nacht!“
    „Gute Nacht, Locke!“
    Sie rollerten in verschiedene
Richtungen und winkten nochmal, bevor sie sich aus den Augen verloren.
    Locke fuhr durch lauschige
Straßen. Ihr Zuhause lag in einem netten Viertel, wo es alte Häuser und kleine
Gärten gab, Kellerlokale und Cafés mit Stammgästen und besonderer Note.
Künstler wohnten hier — und Studenten.
    Ihr Vater war ja, streng
genommen, auch eine Art Künstler. Er bestritt das zwar. Aber sie sah ihn gern
so. Nicht wegen seiner Arbeit bei der Zeitung, sondern weil er nun schon elf
Bücher veröffentlicht hatte. Zwar schrieb er keine Gedichte und auch keine
Romane, sondern sehr sachlich über Zeitgeschichte und politische Themen. Aber
ein bißchen was Künstlerisches war sicherlich doch dabei.
    Die Rehms bewohnten ein kleines
Haus in einer Seitenstraße. Der Vorgarten war nicht erwähnenswert. Aber hinter
dem Haus breitete sich ein großes Stück Rasen aus. Fünf kleine Obstbäume
wuchsen dort und in den Hecken zu beiden Seiten nisteten Vögel.
    Locke öffnete die Garage und
stellte ihren Roller ab. Von ihren Leuten war noch niemand zu Hause. Papas
Wagen fehlte. Nur der Ölfleck auf dem Boden hatte sich etwas vergrößert. Die
Ecke, wo ihr Bruder Mike — wie Michael Rehm von fast allen genannt wurde — sein
Motorrad abstellte, enthielt nur staubige Luft.
    Locke ging ins Haus. Hinter der
Eingangstür hing eine Schiefertafel. Sie diente der Mitteilung. Denn es war
durchaus üblich im Hause Rehm, daß Locke ihren Vater oder ihren Bruder nur
frühmorgens oder spätabends sah. Zu beschäftigt war jeder der drei. Und eine
Mutter gab es nicht.
    Natürlich — weder Locke noch
Mike waren vom Himmel gefallen. Ihre Mutter hieß Madeleine und war — damals —
eine junge Französin gewesen. Aber zwei Jahre nach Ninas Geburt war Madeleine
in ihre Heimat, nach Paris, zurückgegangen. Nicht im Bösen hatte sie sich von
Gunter Rehm getrennt, sondern weil sie spürte, daß sie sich zur Mutter einfach
nicht eignete. Es lag ihr nicht, sich selbstlos um ihre Kinder zu kümmern, und
die Ehe mit dem vielbeschäftigten Journalisten Gunter Rehm war ohnehin Hals
über Kopf entstanden. In Paris war Madeleine zu ihrem unsteten Leben
zurückgekehrt. Auf die Kinder hatte sie verzichtet. Weder Locke noch Mike
hegten deshalb Groll gegen sie. Die beiden hatten längst verstanden, daß nicht
jede Ehe ins Glück führte, und an Nestwärme hatte es ihnen niemals gefehlt.
    Auf der Tafel stand: ... bin
beim Fußball, rückkomme abends. Hunger!...
    Das hatte Mike geschrieben.
Fußball war seine Leidenschaft. Und es grenzte ans Wunderbare, wie er seine
vielen Freundinnen, die Vorbereitung fürs Abitur und das Kicken zeitlich unter
einen Hut brachte. Sogar Locke bewunderte das, aber nur heimlich. Mike war vier
Jahre älter als sie.
    Sie nahm ihren Hut ab,
schüttelte die Haare und sah in den Garderobenspiegel.
    Den hellblauen Farbfleck auf
der Nase suchte sie vergebens.
    Hat er mich wiedermal
reingelegt, dachte sie lächelnd. Dafür kriegt er morgen einen Fudschijama —
oder sowas ähnliches.
    Sie ging in ihr Zimmer, machte
Licht und schloß die Vorhänge. Die Wände hatten geblümte Tapeten, von denen man
freilich nicht viel sah. Poster waren fast nahtlos aneinandergereiht:
überwiegend von Tieren und Landschaften. Pop-Stars und andere kurzlebige Idole
fanden nur dann Lockes Gnade, wenn sie sich farblich in die Umgebung einfügten.
    Auf der Tagesdecke ihrer
Bettcouch saßen Puppen und Plüschtiere, ungefähr zwei Dutzend. Ansonsten
herrschte heillose Unordnung. Das lag an der Fülle. Locke war ein Sammlertyp
und konnte sich von nichts trennen. Zwei Schränke, zwei Regale, eine Kommode,
zwei Körbe und andere Behältnisse konnten nicht fassen, was sich bei ihr — fast
täglich — mehrte.
    Ihr Zimmer quoll über von
Büchern, selbstgenähter Garderobe, Ansteckern, Zuckerstückchen —
papierverpackten, natürlich — und seltenen Münzen. Sie besaß sieben große
Strohhüte mit farbigen Bändern und mindestens 100 verschiedene Bleistifte.
    Vor einem der Fenster war ein
kleiner Platz ausgespart. Dort lag eine Turnmatte. Auf ihr machte sie Yoga.
Jeden Morgen mindestens eine Viertelstunde, und manchmal auch abends.
    Locke stieg über mehrere Kästen
und Schachteln zum Fußende der Bettcouch, wo auf einem Wandregal ein Käfig
stand. Er enthielt eine Tretmühle und auch sonst alles, was eine kleine weiße
Maus zu ihrer Lebensfreude braucht.
    Locke machte: „Zzzz...
eheheh...

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