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Hundejäger töten leise

Hundejäger töten leise

Titel: Hundejäger töten leise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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hast.“
    „Aber sie hätte mich erkennen
können.“
    „Sie... was?“ Porczik starrte
ihn an, verstand noch nicht, wurde dann Ton um Ton blasser, begriff endlich,
was Lämmel meinte, und sperrte den Mund auf wie ein Karpfen.
    „Willst du... damit... sagen,
die Kassiererin...“
    „Ja“, sagte Lämmel. „Das war
Verena. Ich hatte keine Ahnung, daß sie dort arbeitet.“
    Porczik sank auf einen
Küchenstuhl. Mit der Hand drückte er seine Kinnlade hinauf.
    „Hat sie dich erkannt?“
    „Nein.“
    „Bist du sicher?“
    „Bin ich. Auch mit der Stimme
habe ich mich nicht verraten. Sie klang verfälscht durch die Stoffmaske,
außerdem habe ich gekrächzt — wie du weißt.“
    „Und? Willst du sie trotzdem
heute abend treffen?“
    „Selbstverständlich! Daß Verena
die Kassiererin ist, ändert doch nichts an unserer Verabredung.“
    Porczik bekaute seine
Unterlippe, als schmecke sie nach Pfefferminz oder Rollbraten.
    „Hm. Ja. Hast eigentlich recht.
Hätte sie dich erkannt, wären die Bullen schon hier. Es sei denn, sie sagt dir
heute abend, daß sie ein Drittel der Beute für sich beansprucht.“
    „Wofür hältst du sie!“ zischte
Lämmel. „Verena ist so anständig, so wahrhaftig, so aufrichtig...“
     
    *
     
    Eben hatte es im
Goethe-Gymnasium zur großen Pause geläutet. Wer Beine hatte, strömte ins Freie.
Die Schüler der Unterstufe rannten, stießen und schubsten. Bei ihnen wurde auch
am lautesten krakeelt. Gemessener ging es bei den Jungs und Mädels der
Mittelstufe zu, wovon Locke und Tom sich nicht ausschlossen. Und die Großen —
die aus der Oberstufe und die Fast-Abiturienten — die zeigten natürlich, wie
abgeklärt und weitläufig man war.
    Das Goethe-Gymnasium war die
größte Oberschule der großen Stadt und galt als anspruchsvoll. Die Penne, wie
sie von den Schülern genannt wurde, lag zentral — eine U-Bahn-Station in der
Nähe. Die Straßenbahn fuhr vorbei, und Buslinien berührten nahe Ecken.
    Das Gebäude war sehenswert:
eine Art mittelalterliche Burg — ohne Burggraben und Zugbrücke allerdings —,
eine Burg, an die man hier und da, eigentlich überall, moderne Zweckbauten aus Glas,
Stahl und etwas Beton angekleistert hatte. 16 zusätzliche Klassenräume waren
dadurch entstanden, außerdem zwei Physiksäle, ein Biologie-Zimmer, ein
Chemiesaal, die Turnhalle und ein Fahrradschuppen für 600 Drahtesel. Der wurde
zum größten Teil von den Lehrern benutzt. Die älteren Schüler waren zwei- oder
vierräderig motorisiert, die andern kamen mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
    Die Schule war äußerlich so
häßlich, daß sie schon fast wieder schön war. Aber darüber machte sich niemand
Gedanken.
    „Ich verabscheue ihn“, sagte
Locke und biß in einen rotwangigen Apfel.
    „Wieso? Schmeckt er nicht?“ Tom
sprach etwas undeutlich. Er hatte sich die Hälfte eines Leberwurstbrotes hinter
die Zähne geschoben.
    „Wie? Ach so, hahaha,
Kindskopf. Ich meine nicht dieses Kernobst aus deutschen Landen, sondern den
da.“
    Ihr Daumen wies in eine
schattige Ecke des Schulhofs.
    Danny Tschilke hatte dort den
,Abschaum der Oberstufe’, wie Locke zu sagen pflegte, um sich versammelt: ein
Dutzend lässiger Typen und poppiger Motten. Alle pafften. Einer hatte sogar
eine gewaltige Zigarre, die er in jeder Pause ein Stück kürzer rauchte.
    „Der Tschilke verdient nicht
mal deinen Abscheu, Locke.“
    „Jedenfalls gibt er wieder an,
der Hundejäger.“
    Locke und Tom standen nahe der
Ulme, hatten die Köpfe zusammengesteckt und zeigten damit: Was sie zu bereden
hatten, war nicht für ein fünftes und sechstes Ohr bestimmt. Klassenkameraden
und Freunde kannten das und hielten sich fern. Die beiden waren sehr beliebt.
Als Klassensprecherin, die kein Blatt vor den Mund nahm, machte Locke sich seit
drei Jahren um ihre Mitschüler verdient. Daß sie Toms Freundin war, wußte jeder
an der Schule — sogar der Direktor. Die beiden galten als eisernes Pärchen, was
auf der einen Seite zahlreiche Jungs, auf der anderen Seite fast ebenso viele
Mädchen bedauerten. Heimlich, natürlich.
    „Er darf auf keinen Fall
merken, daß wir ihm auf der Spur sind“, sagte Locke. „Ihm und den anderen
Hundejägern. Denn mehrere müssen es sein. Das ist klar.“
    „Hamhüm“, sagte Tom durch sein
Leberwurstbrot.
    „Was?“
    „Edwin.“
    „Sehr richtig. Damit sind es
schon zwei. Aber die werden sich wundern.“ Sie warf das Apfelgehäuse in einen
Papierkorb. „Also, Tom, unser Entschluß steht. Wir werden Danny

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