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Hundejäger töten leise

Hundejäger töten leise

Titel: Hundejäger töten leise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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einem
Freund, mit dem er einen Vortrag ausarbeitet. Ich armes Schlüsselkind käme mir
in unserem groooßen Haus ganz verloren vor.“
    „Außerdem wollen wir vor drei
Uhr bei der Blitzbuche sein. Und von mir ist es näher dorthin.“
    Sie starteten ihre Motorroller
und fuhren durch die Stadt. Es war Mittagszeit. Der nächste Stoßverkehr würde
erst in einer halben Stunde einsetzen.
    Die Conradis — Mutter und Sohn
— wohnten in einem grünen Viertel, unweit der Innenstadt. Die Adresse war ein
L-förmiger Bungalow, umgeben von einem großen Garten, den Tom pflegen mußte,
was er zähneknirschend tat, stand ihm doch immerhin ein elektrischer Rasenmäher
neuesten Fabrikats zur Verfügung.
    Am Gartentor hing ein Schild: Dr.
Helga Conradi — Tierärztin. Sprechstunden Mo-Fr 9-12 Uhr und nach Vereinbarung.
    Toms Mutter war bei ihren
vierbeinigen Patienten und deren Besitzern so beliebt, daß sie auch alle
Nachmittage in der Praxis verbringen mußte — oft bis in den Abend hinein. Die
Praxisräume befanden sich in dem kürzeren Trakt des Hauses.
    Locke und Tom schoben ihre
Roller zur Garage. Draußen auf der Straße parkten mehrere Wagen. Von Patienten,
sicherlich.
    „Riecht nach Linsen mit
Schweinebauch“, sagte Tom.
    „Ist mir egal. Hauptsache, ich
kriege ein Glas Milch.“
    „Werden wir deinetwegen die Kuh
anzapfen, wie?“ lachte er.
    Sie gingen zum Privateingang.
    Bevor sie ihn erreichten, erhob
sich die Stimme eines Löwen hinter der Tür.
    „Nicki hat dich gehört“, sagte
Tom.
    „Uns hat er gehört“, stellte
sie richtig. Wußte sie doch, daß ihr Freund — was Nicki betraf — ein kleines
bißchen eifersüchtig war. Denn Nicki liebte Locke mit jeder Faser seines
Hundeherzens. Es kam vor, daß er in ihrer Gegenwart vor Glück die Augen
verdrehte.
    Tom schloß auf, öffnete die Tür
spaltweit und taumelte zur Seite. Im Vorbeispringen stupste Nicki ihn liebevoll
mit der Nase, dann machte er Männchen vor Locke. Das heißt, er legte ihr beide
Vorderpfoten auf die Schultern, wedelte mit dem Schwanz, daß im Garten die
Blumen schwankten, und bemühte sich, Locke mit rosafarbiger Zunge das Gesicht
abzulecken.
    „Hilfe!“ Sie lachte. „Nicki,
nicht so wild!“ Mit beiden Händen hielt sie seinen mächtigen Schädel, um der
liebevollen Wäsche zu entgehen.
    Es dauerte eine Weile, bis
Nicki sich beruhigte. Dann warf er sich auf den Rücken, streckte alle Viere in
die Luft und ließ sich von Locke am Bauch kraulen. Das war ein Muß.
    Tom sah nachdenklich zu. „Mir
kommt eine Idee. Was hältst du davon: Wir binden Nicki irgendwo an und warten,
bis Danny Tschilke ihn klauen will. Dann gibt’s einen Hundejäger weniger.“
    „Zu rabiat!“ lachte sie. „Ich
bin nicht für gewaltsame Lösungen.“
    Nicki brummte aus tiefer Kehle.
Das war Behagen. Aber es klang wie Zustimmung.
    Das Haustier der Conradis war
19 Monate alt und ein wundervoller Mischling. Aus der Ferne hätte man ihn für
einen Tiger gehalten — so kraftvoll sah er aus, und so gestromt war sein Fell.
Man wußte: Seine Mutter war eine besonders schöne Tiger-Boxerin gewesen, sein
Vater ein mächtiger Wolfshund. Der hatte Nicki den Schädel mit langer Schnauze
und gewaltigem Fang vererbt. Von der Mutter hatte er das Fell, von beiden die
besten Eigenschaften. Er war liebevoll zur Familie, aber wachsam und scharf,
wenn Gefahr drohte. Brettharte Muskeln zeichneten sich unter seinem Fell ab. Es
war goldbraun, sein Gesicht fast schwarz, der lange Schwanz dicht behaart. Er
lief in eine schwarze Quaste aus. Komisch waren eigentlich nur seine Ohren:
kleine, dreieckige Schlappohren wie bei einem Pinscher.
    Zigeuner hatten seine Mutter,
als sie Junge werfen (gebären) sollte, ins Tierheim gebracht. Bei der
Geburt war sie gestorben. Nicki war dann im Tierheim aufgewachsen, bis Helga
Conradi ihn dort entdeckte. Sie hatte ihn zu sich geholt und das nie bereut.
Mit jedem Tag entwickelte Nicki sich besser. Er war sehr klug, lernte schnell,
hatte einen Dickkopf und Talent zum Clown.
    Seit er im Haus war, brauchten
die Conradis keinen Wecker. Jeden Morgen punkt sieben erhob Nicki sich von
seinem breiten Lager in der Diele, streckte sich gähnend, schritt dann zu
Helgas Schlafzimmer, drückte mit der rechten Pfote auf die Klinke, schob die
Tür mit der Schnauze auf, lief zum Bett und leckte seinem Frauchen über die
Nase.
    Anschließend wurde Tom auf die
gleiche Weise geweckt.
    Nicki freilich stelzte zu
seinem Lager zurück, ließ sich seufzend fallen und schlief

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