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Hundejäger töten leise

Hundejäger töten leise

Titel: Hundejäger töten leise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Locke immer einen wachsamen Blick für Bader und Tschilke übrig.
Ihr entging nicht, daß Tschilke von Bader beobachtet wurde. Doch das war schon
alles.
    Nach der Schule sagte sie zu
Tom: „Also, sobald ich alles zusammen habe, rufe ich an. Du bist zu Hause,
klar!“
    Er grinste. „Deinem Befehl,
Nina Rehm, würde ich mich niemals widersetzen.“
    Sie standen, startklar mit
ihren Rollern, am Schultor. Die Menge der Schüler ergoß sich zur Straße.
Dennoch beugte sich Locke zu Tom, und ihre Lippen streiften seine Wange.
    „Bis nachher, Engelbert!“
    Sie stieg auf und rollerte mit
wehendem Haar an einer Gruppe Jungs vorbei. Einige glotzten begehrlich, andere
neidvoll zu Tom. Einer aus der 12. Klasse kommentierte( erläutern )
fachkundig: „Dufte Biene, die Maid. Das wird mal ‘ne Wucht. Viel zu schade
für... Ach so, das ist ja der Conradi. Dann will ich nichts gesagt haben“, trat
er den Rückzug an.
    Leo Sivert schlug Tom auf die
Schulter. „Und wieder ‘ne Stelle im Gesicht, die du jetzt nicht mehr waschen
kannst, wie?“
    „Nur kein Neid! Du würdest doch
im Krebsgang die Stadt umrunden, wenn sie dich dafür küßt.“
    „Nicht nur ich!“ lachte Leo.
    Währenddessen rollerte die
derart Hochgeschätzte nach Hause. Auf der Schiefertafel war keine Eintragung,
im Kühlschrank nichts, was ihren Appetit angeregt hätte. Helena, genannt Mausi,
wurde versorgt und durfte an ihrer Strippe klettern. Dann stellte Locke sich
vor den Spiegel, hob die Arme und beäugte ihr Profil. Ihr fiel ein, daß man von
Milch allein nicht leben konnte.
    Sie sah auf die Uhr. Noch war
Mittagszeit. Also denn...
    Sie nahm einen ihrer Strohhüte,
den mit dem blauen Band, verließ das Haus, verstaute Schlüssel und Krimskrams
in ihrer Umgängetasche und rollerte zu den ,Drei Mohren’.
    Das Wirtshaus war in der Nähe.
Gunter und Mike schätzten es wegen herrlicher Biere vom Faß. Sie duzten den
Wirt, einen beleibten Kochkünstler, der sein urig (urtümlich) eingerichtetes Lokal für jeden Geldbeutel offen hielt.
    Studenten, die die Zeche
abgezählt in der Tasche hatten, trafen sich hier ebenso wie Künstler von Bühne
und Film, Journalisten und Maler, Stadträte und bekannte Geschäftsleute. Jeder,
der gern gut aß, war irgendwann mal dabei.
    Für Tochter und Sohn hatte
Gunter Rehm einen Mittagstisch abonniert (auf Dauer bestellen). Da keine
Mutter vorhanden war, blieb das die einzige Möglichkeit, beide täglich mit
einer warmen Mahlzeit zu versorgen. Denn weder Locke noch ihr Bruder wären
bereit gewesen, für sich selbst oder zwei zu kochen. Freilich — vom
Drei-Mohren-Mittagstisch machte Locke nur unregelmäßig Gebrauch; und auch Mike
war weit öfter des Abends mit seinem Vater auf ein Bier da als mittags zum
Speisen.

    Im Mohrenstüberl, einem der
Nebenräume, bediente Mr. Jennings. Er war Engländer, hatte in Oxford Sprachen
studiert und dann in berühmten Hotels rund um die Welt gearbeitet, ehe er hier
— ruhiger und älter geworden — die Stellung des Oberkellners ausfüllte. Er war
die rechte Hand des Chefs und — auch für die Gäste — unersetzlich.
    Er begrüßte Locke mit
freundlichem Händedruck, sagte, sie sähe wieder reizend aus, und hatte — trotz
Überfüllung — einen Zweiertisch für sie. Auf seine Empfehlung nahm sie die
große Salatplatte mit Ei. Milch war zwar auf der Getränkekarte nicht vermerkt,
aber für Locke immer vorhanden.
    Ihre Mahlzeit schmeckte
großartig. Die Salate waren knackfrisch, das Dressing (Soßen) gekonnt.
    Nach dem Essen band sie ihren
Hut fest und rollerte zum Pressehaus.
    Das hochmoderne Gebäude war
ganz aus Glas und Stahl, stand im Zentrum der Stadt und wurde auf der Südseite
von tosendem Straßenverkehr umspült. Die Nordseite gehörte bereits zu einer
Fußgängerzone. Dort hallten nur Schritte, und ein hübsches Café hatte sich mit
Stühlen und Tischen auf die Straße ausgedehnt.
    Vom Wärter der Tiefgarage bis
zum Portier — jeder kannte Locke. Im unterirdischen Autosilo durfte sie ihren
Roller neben Rehms Saab abstellen. Dann fuhr sie mit dem Lift in die siebte
Etage.
    Im Vorzimmer saß Melanie
Frühauf, eine nicht mehr ganz junge, aber sehr gepflegte Dame, deren
Zuverlässigkeit als Redaktionssekretärin sprichwörtlich war. Für Gunter Rehm,
ihren Chef, hätte sie sich ein Bein ausgerissen. Daß sie heimlich verliebt in
ihn war, wußte jeder im Haus. Nur Melanie glaubte, es sei allein ihr süßes
Geheimnis. Die Zusammenarbeit litt nicht unter ihrer stillen Schwärmerei.

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