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Hundejäger töten leise

Hundejäger töten leise

Titel: Hundejäger töten leise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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in denen
Villen standen — von denen einige wie jahrhundertealte Prachtbauten ehemaligen
Landadels aussahen —, prägten das Bild.
    „Dort hätte ich nur Rassehunde
vermutet, deren Stammbaum bis zum Schoßhund Karls des Großen zurückgeht“, sagte
Locke. „Daß Finke eine Promenadenmischung namens Othello hatte, spricht für den
Mann.“
    „Ist ziemlich weit bis
dorthin.“ Tom bewegte die Lippen, als zuzzele er an einem Strohhalm. „Am besten,
wir fahren am Professor-Adam-Park vorbei. Da ist auch ein Supermarkt. Ich
verdurste nämlich bald. Bin mit Nicki fast nur gerannt, und danach habe ich
nichts mehr getrunken.“
    „Dann kannst du mich zu einer
Tüte Milch einladen.“
    Sie rollerten zum Supermarkt.
Er lag in einer stillen Straße, die am Park verlief, und war die kleinste
Zweigstelle einer großen Ladenkette. Die Leute aus dem Viertel kauften hier,
ältere Leute meist, denen der Weg in die turbulente Innenstadt zu weit war.
    Es war immer noch sehr heiß. Im
Westen hinter der Stadt baute sich eine Gewitterwand auf. Vielen setzte die
Schwüle zu. Im Professor-Adam-Park regte sich kein Lüftchen. Die Blätter an
Büschen und Bäumen schienen erstarrt.
    Vor dem Supermarkt parkten
einige Fahrzeuge. Tom stellte seinen Roller auf die Raststütze.
    „Kakaotrunk, Locke? Oder
einfach nur Kuhsaft?“
    „Kuhsaft pur.“
    Er nickte. „Paß auf meinen
Hirsch auf. In dieser Gegend werden nicht nur Hunde geklaut.“
    „Ich werde ihn mit Klauen und
Zähnen verteidigen.“
    „Es genügt völlig, wenn du im
Falle eines Diebstahlversuchs laut um Hilfe rufst: Tooom, Hiiilfe.“
    „Wenn du dich etwas beeilst,
wird es zu keinem Zwischenfall kommen.“
    Tom grinste und ging in den
Supermarkt. Locke rückte ihren Strohhut zurecht.
    Dann sah sie den Pudel. Es war
ein kleiner, schwarzer Rüde mit gelocktem Krönchen. Am Fahrradständer war er
angebunden, und er stand ein ganzes Stück vom Eingang entfernt. Weshalb
Herrchen oder Frauchen den Hund dort zurückgelassen hatte, war offensichtlich.
Eine mächtige Linde spendete Schatten. Und zwar nur dort. Vor dem Eingang und
über den Parknischen kochte die Luft.
    Heiß war es trotzdem für den
Kleinen. Er hechelte, obwohl er artig wartete und den Eingang nicht aus den
Augen ließ.
    Ist der goldig! dachte Locke
amüsiert. Sie beobachtete ihn.
    Und ihrer Aufmerksamkeit
verdankte der kleine Hund sein Leben. Denn Schicksal oder Zufall richteten es
ein, daß jetzt und hier sich die Wege zweier Widersacher kreuzten, obschon sie,
die Widersacher, sich bis jetzt noch nicht kannten.
    Aus dem Park trat ein Mann.
    Locke bemerkte ihn aus den
Augenwinkeln. Aber er war kein Typ, für den ein hübscher Teenager einen zweiten
Blick übrig hat.
    Er überquerte die Straße.
    Locke zog ihren Strohhut in die
Stirn, lockerte mit den Händen das Haar und sah zum Eingang.
    Hinter der Glasfront waren drei
Kassen. Doch der Andrang der Kunden schien sich sehr in Grenzen zu halten. Nur
an einer Kasse saß eine Kassiererin. Tom war nicht zu sehen. Vielleicht konnte
er sich nicht entscheiden, ob er Mager- oder Vollmilch kaufen sollte.
    Locke sah wieder zum Pudel hin
und war augenblicklich hellwach.
    Der Mann — nein, der Kerl, der
aus dem Park gekommen war — näherte sich dem Hund.
    Er trug einen Bergsteigerhut,
der über und über mit Abzeichen besteckt war. Die Krempe beschattete ein hartes,
braungebranntes Ledergesicht. Gekleidet war der Kerl wie ein Penner: zerlumpt.
    Er trat zu dem Pudel.
    Locke hörte, wie er beruhigend
murmelte. Aber die Entfernung war zu groß, um die Worte zu verstehen.
    Er bückte sich und kraulte den
Hund hinterm Ohr. Mit der anderen Hand hielt er ihm etwas hin, das wie ein
Stück Wurst aussah. Der Pudel nahm es und fraß.
    Außer Locke war niemand in der
Nähe. Der Kerl sah kurz zu ihr her und schien sie als ungefährlich einzustufen.
Denn jetzt bückte er sich. Seine Hand griff zum Karabinerhaken, der Lederleine
und Halsband zusammenhielt.
    „Halt!“ schrie Locke. „Was tun
Sie da? Hände weg von dem Hund!“

    Der Motor ihres Rollers heulte
auf. Fast daß die Reifen durchdrehten, als sie über den Gehsteig kurvte, an
drei, vier parkenden Autos vorbeisauste und erst vor dem Fahrradständer
bremste.
    Der Pudel sprang zurück, soweit
es seine Leine erlaubte, an der er zum Glück noch hing.
    Der Penner hatte sich
aufgerichtet. Wütend starrte er Locke an. In den Zügen stand Gemeinheit,
Bösartigkeit in den Augen.
    „Sie wollten den Hund stehlen“,
ihre Stimme kickste.

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