Hundekuchen zum Frühstück: Roman (German Edition)
einzulassen. Mit niemandem.
Ich bemühte mich, ruhiger zu atmen, und sagte mir, dass Kerrie die vertrauenswürdigste Person war, die ich kannte. Ich konnte mich noch lebhaft an unsere erste Begegnung erinnern. Damals hatten wir in Seattle unabhängig voneinander denselben Kurs in Restaurantführung belegt und wurden gleich am ersten Tag von unserem Kursleiter mit einer gemeinsamen Hausarbeit betraut, weil wir beide in Madrona lebten. Dank ihrer baumelnden Ohrringe und der bunten Brille war Kerrie mir schon früher aufgefallen. Im Gegensatz zu ihr verschmolz ich in meiner schwarzen Hose und dem kamelfarbenen Rollkragenpulli fast mit der Wand und wünschte mir nichts mehr, als einen winzigen Bruchteil von Kerries Selbstbewusstsein zu besitzen.
Unsere Aufgabe bestand darin, am Beispiel eines beliebigen Restaurants zu untersuchen, wie gut oder schlecht die Werbung auf die jeweilige Klientel abgestimmt war. In kürzester Zeit hatten Kerrie und ich herausgefunden, dass wir dieselben Dinge bevorzugten– eine warme moderne Atmosphäre und viel poliertes Holz. Wie wir wussten, waren Logos dazu da, um nach außen zu demonstrieren, was ein Restaurant im Inneren zu bieten hatte. Für unser Projekt wählten wir ein Restaurant namens Salt Cellar, dessen kitschig überzeichnetes Logo angesichts seiner Dreißig-Dollar-Vorspeisen und seitenlangen Weinkarte falscher nicht sein konnte.
Im Jahr darauf war der Salt Cellar Geschichte und Kerrie und ich Geschäftspartnerinnen. Wenn ich vom Job nach Hause kam, ging ich regelmäßig zu ihr nach Hause, um Pläne zu schmieden. Im Esszimmer wechselten wir uns darin ab, Baby JJ zu halten, während Kerries Mann Paul sich um das Dinner kümmerte. Von dem Augenblick an, als Kerrie zum ersten Mal unser Logo auf der Rückseite eines Briefumschlags skizzierte, ergab sich alles Weitere automatisch. Wir einigten uns auf eine gleichberechtigte Partnerschaft und hafteten gemeinsam für Miete, Warenbestellungen, Gehälter und Budget. Kerrie war unser kreatives Genie, das mitten in der Nacht hochschrak, weil ihr eine Rezeptidee für einen Zitronenflan mit in Rosmarin gerösteten Birnen gekommen war. Paul stand uns tapfer zur Seite. Obwohl ihn die Konditionen unseres kleinen Geschäftskredits beunruhigten, war er vom Glauben an die Tüchtigkeit seiner Frau beseelt.
Damals fühlte ich mich manchmal wie in einem Hollywoodfilm. Kerrie und ihr Mann lebten in einer Beziehung, die sich von der aller meiner Pflegeeltern unterschied. Sie scherzten wie gute Kumpel miteinander und konnten in wenigen Worten sehr viel Information übermitteln. In meinen Pflegefamilien dagegen war das Leben immer sehr angespannt verlaufen. Vor allem zu Hause. Im Gegensatz dazu lebten Paul und Kerrie in einer Art Oase des Glücks– wie Dozenten in einer Meisterklasse für erfülltes Familienleben.
Wenn ich bei Kerrie war, bemühte ich mich immer, mich gut zu benehmen. Das Familiengefühl war für mich vollkommen neu, und ich wartete dauernd darauf, dass es plötzlich wieder verschwand… Oder dass Kerrie verschwand. Ich räumte den Tisch ab, spülte das Geschirr und lachte über ihre Witze. Meine schriftlichen Arbeiten erledigte ich stets pünktlich, ich notierte kleine Geburtstagswünsche und überraschte alle gern mit hübschen Geschenken. Ich wollte so gern perfekt sein.
Zu meiner großen Überraschung hielt Kerrie immer zu mir. Und im Lauf der Zeit vertraute ich ihr auch meine Geheimnisse an. Nach einem Jahr erzählte ich ihr von meinen Pflegefamilien und ein weiteres Jahr später auch von der allerschlimmsten, deren Vater Alkoholiker war. Ich war sicher, dass Kerrie sich nach und nach von mir zurückziehen würde, aber sie blieb. Sie umsorgte mich, als könnte sie mir die Mutter ersetzen, die ich nie gehabt hatte. Alle meine Freunde unterzog sie dem sogenannten Mom-Look, wie sie ihren adlergleichen Blick nannte, der angeblich Verrat auf eine Meile Entfernung erspähte.
Kerrie wusste auch von meiner Angst vor Hunden. Kerrie und Paul besaßen eine helle Labradorhündin namens Jane Eyre. Sie lernten schnell, dass die Hündin nicht mit mir im selben Raum sein durfte, wenn ich eine Panikattacke vermeiden wollte. Ich glaube nicht, dass Kerrie meine Angst wirklich verstand, aber sie akzeptierte sie. » Wir haben alle unsere Macken, Jess. Paul leidet manchmal unter Zwängen, und ich kann nur einschlafen, wenn ich auf der linken Seite liege. Und du reagierst eben empfindlich auf Hunde. So einfach ist das.«
Das Problem war nur, dass
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