Hundert Namen: Roman (German Edition)
Geld ab, fahren am Freitag zurück und sind am Freitagabend wieder zu Hause.«
»Moment mal«, unterbrach Kitty sie. »Meinen Sie den Bus vom Altenheim?«
»Vorausgesetzt, Sie haben kein Auto und auch sonst keinen besseren Vorschlag, bleibt uns gar nichts anderes übrig.«
»Dürfen Sie den Bus denn einfach so benutzen?«
»Er darf nur für die Aktivitäten des Altenheims verwendet werden.«
»Dann dürfen Sie ihn also nicht nehmen.«
»Genau.«
»Dann könnte man also sagen, Sie wollen ihn stehlen ?«
»Nein, wir borgen ihn uns.«
»Birdie«, fragte Kitty erstaunt. »Haben Sie das gewusst?«
»Die Frau holt sich zehntausend Pfund ab, was kümmert es sie, wie wir hinkommen? Falls es rauskommt, kriege ich eine Verwarnung, keine große Sache. Aber Bernadette wird sowieso nichts davon bemerken. Wir sind längst wieder zurück, bevor irgendjemandem auffällt, dass der Bus nicht da ist.«
Kitty überlegte.
Wenn man es so darstellte, klang es wirklich ganz harmlos, andererseits hatte sie genug Probleme, auch ohne einen Autodiebstahl. »Aber was ist mit Ihnen, Molly? Dass Sie weg sind, fällt garantiert auf.«
»Meine Schicht fängt erst Freitagabend an, und ehe Sie auch noch danach fragen – unsere alte Schreckschraube Bernadette denkt, dass Birdie zu ihrem Geburtstag einen Ausflug mit ihrer Familie macht und auswärts übernachtet.«
»Sie beide haben wirklich an alles gedacht, was?«
Die beiden Frauen lachten verschmitzt.
»Und?«, fragte Molly. »Bist du dabei? Und ich finde, wir Verschwörerinnen sollten uns duzen.«
»Ich mache mit, bei beidem«, antwortete Kitty, Birdie nickte, und dann fassten sich alle drei in der Mitte des Tischs an den Händen.
Auf dem Heimweg holte Kitty ihren Notizblock heraus.
Name Nummer sechs: Bridget Murphy
Titel: Birdies Notgroschen
Nach diesem langen Arbeitstag hatte Kitty endlich das Gefühl, Fortschritte gemacht zu haben. Sie hatte an der Oberfläche gekratzt und endlich ein paar Blicke auf die Menschen darunter erhascht, auf die Kehrseite der Dinge, zu den Dingen, die man hinter einer Maske verbirgt, hinter einem Wall von Höflichkeit oder auch Unsicherheit, und sie war ziemlich sicher, nun zu den wirklich interessanten Teilen der Liste vorgedrungen zu sein. Trotzdem war sie erst bei Nummer sechs von ihren hundert Namen, es blieben ihr nur noch ein paar Tage bis zu ihrer Deadline, und sie hatte immer noch keine solide Verbindung zwischen diesen Menschen entdeckt. Könnten es verborgene Geheimnisse sein, wie bei Birdie und Archie? Falls es so war, musste sie bei Eva, Mary-Rose und Jedrek noch wesentlich tiefer graben.
Zum zweiten Mal an diesem Tag rief sie Pete an.
»Wehe, du hast nichts Gescheites für mich, Lois Lane.«
Sie lachte. »Jedenfalls nichts, was ich dir verraten möchte. Erst am Freitag, das hab ich dir doch gesagt. Aber ich habe vergessen zu fragen – wie lang soll der Artikel eigentlich werden?«
Er zögerte. »Kitty, in diesem Augenblick solltest du eigentlich schon so weit fertig sein, dass du den Artikel nur noch mal überarbeiten musst, deshalb überrascht mich diese Frage ein bisschen.«
»Habe ich es jetzt wieder mit dem fiesen Pete zu tun?«, fragte sie frech und zog sich auf die freie hintere Sitzreihe des Busses zurück, um ein bisschen mehr Ruhe zu haben.
»Der fiese Pete?«, lachte er. »Bin ich wirklich so schlimm?«
»Manchmal bist du richtig gruselig.«
»Na ja, ich möchte eigentlich nicht gruselig sein«, erwiderte er, und Kitty hatte das Gefühl, seinen Atem an ihrem Ohr zu spüren – es war eines von diesen Gesprächen, bei denen jede Pause, jedes Wort, jeder Atemzug und jeder Seufzer etwas zu bedeuten hatten. »Jedenfalls nicht dir gegenüber.«
Kitty lächelte und sah sich dann schnell um. Hoffentlich hatte keiner ihr dämliches Grinsen bemerkt.
»Wie viele Wörter hast du denn schon geschrieben?«, fragte er sanfter.
»Du kannst eine Frage nicht mit einer Gegenfrage beantworten, Pete. Ich hab dich zuerst was gefragt.«
»Okay.« Es klang, als würde er sich strecken, und Kitty stellte sich seine breiten, muskulösen Schultern vor und dann, wie ihre Hände darüberstrichen. Überrascht hielt sie inne. Was war das denn für eine Phantasie? Die Schultern gehörten Pete, dem fiesen Pete, dem Chef vom Dienst, wegen dem sie oft Albträume gehabt hatte und ganz bestimmt keine sexuellen Phantasien im Bus. Was war denn plötzlich los?
»Es wird der Aufmacher, also hast du fünftausend Wörter, aber wenn du Probleme
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