Hundert Namen: Roman (German Edition)
Bett frei, alle sind zu Hause.«
»Was ist mit der Couch?«
»Alice und Dave sind anders als meine früheren Mitbewohner, die würden durchdrehen, wenn sie dich auf der Couch finden. Wir haben eine Hausordnung, stell dir vor.«
»Oh. Und was ist mit der Couch in deinem Zimmer?«
»Nein. Äh. Nein. Ähm. Das geht nicht.«
»Stevie, wer ist denn das?«, hörte Kitty im Hintergrund eine verschlafene Stimme fragen. Dann fiel es ihr ein. »Oh, natürlich, tut mir leid. Katja ist bei dir. Wie blöd von mir. Mir geht’s gut, Steve, entschuldige die Störung, ich hätte nicht anrufen sollen, ich hab nur …«
»Kitty, jetzt halt mal einen Moment die Luft an und lass mich nachdenken«, unterbrach er sie.
Sie schwieg.
»Okay. Komm rüber, du kannst bei mir schlafen. Katja und ich gehen zu ihr, alles klar?«
Kitty hörte Katja etwas sagen, dann wurde das Handy weggelegt, und sie hörte im Hintergrund ein gedämpftes Gespräch.
»Ja, so machen wir’s«, sagte Steve, als er kurz darauf wieder ans Telefon kam. »Komm einfach rüber.«
»Das kann ich nicht von euch verlangen, Steve, ich will dich doch nicht aus deinem eigenen Haus vertreiben.«
»Tja, hast du vielleicht eine bessere Idee?«
Natürlich hatte Kitty keine. Schon seit über sechs Monaten hatte sie keine brauchbare Idee mehr gehabt, sie war wie ausgebrannt. Bob anzurufen kam nicht in Frage, denn er hatte genug am Hals, ohne dass auch noch sie auf seiner Schwelle auftauchte. Sally ging nicht ans Telefon, und Kitty wollte auch nicht einfach um drei Uhr morgens unangekündigt bei ihr aufkreuzen. Sally hatte einen Mann und ein achtzehnmonatiges Baby, das jetzt bestimmt sanft und selig schlief. Kittys Familie wohnte weit entfernt in Carlow, und sie hatte sich ohnehin noch nie gern bei ihren Verwandten ausgeweint. Kurz ging ihr der Gedanke durch den Kopf, Richie anzurufen, aber er hätte das garantiert als sexuelle Avance aufgefasst, daher verwarf sie die Idee schnell wieder. Nein, Steve war der Einzige, auf den sie momentan zurückgreifen konnte, er war ihre einzige Option.
»Okay«, flüsterte sie.
Ihre erste Begegnung mit Katja hatte Kitty sich anders vorgestellt: Um halb vier Uhr morgens, sie selbst total erschöpft und mit roten Augen, Katja offensichtlich hundemüde, weil sie mitten in der Nacht geweckt und von einer idiotischen Frau, die mit ihrem Freund befreundet war, auf die Straße gesetzt wurde. Aber sie war trotzdem höflich genug, um ihre Wut hinter einem mitfühlenden Blick zu verstecken. Am Fuß der Treppe wechselten sie flüsternd ein paar Worte – man konnte es nicht als Gespräch bezeichnen, es war nur ein Bettenwechsel.
»Alles klar?«, fragte Steve.
»Ja. Es tut mir so leid.«
»Schon gut. Ich weiß nicht, wann genau ich morgen zurückkomme, also …«
»Ich verschwinde ganz früh, die anderen werden nicht mal merken, dass ich hier übernachtet habe. Es tut mir wirklich sehr leid.«
»Wenn du Alice und Dave siehst, brauchst du ihnen nichts zu erklären, das geht sie nichts an. Sag ihnen einfach, dass ich später mit ihnen rede.«
»Ich sehe sie bestimmt nicht – bis sie aufstehen, bin ich verschwunden. Tut mir wirklich leid, dass ich euch solche Umstände mache.«
»Schon okay.« Steve öffnete leise die Tür. Es war ganz anders als bei seinen anderen Wohnungen, wo man problemlos um drei Uhr nachts kommen und gehen konnte und wo immer irgendwelche Zufallsgäste übernachteten. Vermutlich wurde Steve einfach erwachsen. Was für ein schlechtes Timing, dass er das ausgerechnet jetzt, mitten in Kittys Lebenskrise, erledigen musste.
»Nett, dich kennengelernt zu haben«, sagte Katja und lächelte Kitty bekümmert an, ehe sie die Tür hinter sich zuzog.
Kitty streckte der geschlossenen Tür die Zunge heraus.
Und obwohl es erst vier Uhr früh war, stand Kitty schon das zweite unangenehme Erlebnis bevor, denn jemand hatte zwar versucht, Ordnung zu machen, und das Fenster geöffnet, aber Steves Bett war ungemacht, und es hing eindeutig der Geruch von Sex in der Luft. In diesem Bett konnte Kitty nicht schlafen. Stattdessen setzte sie sich aufrecht auf die Couch, kuschelte sich in eine Decke, beobachtete den Sonnenaufgang und lauschte den Vögeln, die zusammen mit dem Rest der Welt erwachten. Sie musste wohl kurz eingenickt sein, denn plötzlich schrak sie auf, ihr Hals war steif, ihr Mund wie ausgetrocknet, und es war sieben Uhr. Da Sonntag war, gab es draußen kaum Verkehr, keine zuknallenden Autotüren, keine Postboten, keine
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