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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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und war gut vorbereitet.

    Am Ende von Tag eins zählten wir 1174 Fälle von Lungenpest und 186 Tote. Am Tag zwei waren die Zahlen auf 2807 Fälle mit 584 Toten angestiegen, bereits jetzt reichten die Beatmungskapazitäten in Berlin nicht mehr aus. Am Ende von Tag drei standen wir mit 5556 Erkrankten und 1424 Toten da.

    In der Humana-Klinik hatte ich das Management der Pestepidemie unserem Gastarzt Dr. Hassan aufgedrückt, der Ausgang der Sache war sowieso klar, und ich wollte nicht noch mehr Kollegen von unserer wirklichen Arbeit abziehen.

    In Zentis' Organisationszentrale hatten wir ganz andere Probleme: Jede der beteiligten Organisationen, und das waren fast alle der Stadt, von der Polizei bis zu den Bestattern, wollte mitreden, stundenlange Konferenzen waren das Ergebnis. Zentis forderte den Einsatz der Bundeswehr, Panik und Plünderungen seien zu erwarten.

    »Sehr gut«, kommentierte ich, »dann werde ich mich um die Medikamente für die Erschießungskommandos kümmern.«

    Niemand erhob Einspruch.

    Ziemlich bald wurden die Antibiotika knapp, es stellte sich die Frage, wer prophylaktisch behandelt werden sollte: nur die Leute mit tatsächlich stattgehabtem Patientenkontakt oder alle potentiellen Erst- und Zweithelfer und deren Familien? Und wie weit sollte man die Quarantäne ausdehnen?

    Am Ende von Tag drei fuhr ich nach Hause. Die letzten Nächte hatte ich, wenn überhaupt, auf einem Feldbett im Keller des Innensenats verbracht, ich sehnte mich nach meinem Bad und meinem Bett. Außerdem war es Freitag geworden, keinen Tag länger hätte ich Zentis noch ertragen können. Nach einem Glas Wein zur Entspannung schaute ich unter [email protected] kurz nach der letzen Entwicklung in Sachen Lungenpest, Zentis hatte für die Unternehmung einen eigenen E-Mail-Verteiler errichtet. Staunend las ich seine jüngste Aktion und verkroch mich grinsend in mein Bett.

    Um halb sieben weckte mich das Telefon, eine halbe Stunde früher, als ich erwartet hatte. Ich ließ es klingeln und warf erst einmal die Kaffeemaschine an. Kaum zehn Minuten später klingelte es wieder. Es war Freund Zentis.

    »Herr Kollege Hoffmann. Die Übung ›Lungenpest‹ ist noch nicht beendet. Sie haben ohne Absprache die Einsatzzentrale verlassen!«

    »Stimmt, Zentis. Und was willst du jetzt machen? Mich erschießen lassen?«

    »Ich habe keine Zeit für Ihre Albernheiten. Die Morgenbesprechung beginnt pünktlich um 7 Uhr 30!«

    »Tut mir furchtbar leid, Zentis, die muß wohl ohne mich stattfinden. Du hast Berlin gestern abend um 20 Uhr 13 komplett unter Quarantäne gestellt. Mich auch.«

    Einen Moment schien Zentis zu überlegen, hatte sich aber schnell wieder gefaßt.

    »Wären Sie hier auf Ihrem Posten, hätten Sie selbstverständlich auch einen Ausweis bekommen, der Sie von der Quarantäne freistellt. Ich schicke Ihnen einen Polizeiwagen vorbei.«

    »Das wird nicht gehen, mein Lieber. Du hast zwar nicht vergessen, die Polizei von der Quarantäne auszunehmen, aber was ist mit Benzin? Sicher hat es in den letzten Tagen Hamsterkäufe gegeben, alle wollten noch vor deiner Quarantäne raus aus Berlin. Mich wundert sowieso, daß wir noch telefonieren können. Gibt es überhaupt noch Strom?«

    Wieder trat nur eine kurze Pause am anderen Ende der Leitung ein.

    »Genau um solche möglichen Fehler aufzudecken, wird diese Übung durchgeführt.«

    Zentis hatte aufgelegt. Aber das mußte ich ihm lassen: Eigene Fehler konnte er wie früher in der Klinik sehr schnell wegdiskutieren. Seine undifferenzierte Totalquarantäne, von der ich gestern abend per E-Mail erfahren hatte, war allerdings sowieso zu spät gekommen. Heute morgen meldete sein Planspiel die ersten Fälle von Lungenpest aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Hamburg.

Kapitel 11

    Ich gönnte mir noch einen gemütlichen Kaffee, ehe ich in die Klinik fuhr. Ein Stich irgendwo in der Brust erinnerte mich an das früher übliche Samstagsfrühstück mit Celine. Und ich begriff nach all den Jahren mit Celine, welches Opfer sie unserer Beziehung mit diesem Samstagsfrühstück um acht Uhr morgens gebracht hatte, denn eigentlich war sie Langschläferin!

    Die Humana-Klinik hatte den virtuellen Angriff der Pestbazillen unbeschadet überstanden, auf meinem Schreibtisch jedoch stapelte sich das Ergebnis einer Woche Abwesenheit. Ich beschloß, daß die Anfragen der Krankenkassen, Reparaturanforderungen und Beschwerdebriefe von nach Meinung ihrer Heilpraktiker von uns falsch behandelter Patienten

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