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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Gutes für die Huster in der Ambulanz. Beruhigend legte ich ihm die Hand auf die Schulter.

    »Laß gut sein, Heinz. Pfeif du schon mal das Robert-Koch-Institut zurück, ich rufe inzwischen einen guten Freund von mir an.«

    Die Durchwahlnummer, die man mir neulich gegeben hatte, meldete sich sofort.

    »Einsatzzentrale. Mit wem spreche ich?«

    »Sie sprechen mit Dr. Hoffmann, Humana-Klinik. Und Sie geben mir bitte Dr. Zentis, und das sofort!«

    Tatsächlich hatte ich ihn gleich dran.

    »Zentis hier.«

    Ich meinte, sein Grinsen durch den Hörer zu spüren.

    »Hör zu, Dr. Manfred Zentis. Wir betreiben hier eine Klinik, falls du dich noch erinnerst, was das ist. Keine Juxbude.« Zentis blieb gelassen.

    »Bisher nicht identifizierte arabische Terroristen haben vorgestern bei einem Konzert in der Max-Schmeling-Halle ein Aerosol mit Yersinia pestis versprüht. Heute nachmittag haben wir von den ersten Krankheitsfällen gehört.«

    Einen Moment war ich verwirrt. Gerade hatte ich Valenta die Spezialisten vom Robert-Koch-Institut abbestellen lassen! Aber schnell war mir klar, was hier gespielt wurde.

    »Zentis! Als wir dich hier fünf Jahre lang im Herzkatheterlabor vor unseren Patienten weggesperrt haben und dich am Ende mit Gefälligkeitszeugnissen über deine angeblichen Weiterbildungszeiten endlich losgeworden sind, geschah das unter anderem deshalb, weil du ›Yersinia pestis‹ nicht einmal schreiben konntest. Also erzähl mir nicht, daß man im Ernstfall ausgerechnet dich zum Pest-Doktor von Berlin gemacht hätte.«

    Glaubte ich das wirklich? Hatte ich nicht gesehen, mit welch tiefer Gläubigkeit Staatssekretär Müller an seinen Lippen gehangen hatte? Und immerhin brachte Zentis es fertig, sich trotz fehlender Qualifikation als Facharzt für Innere Medizin zu verkaufen. Diesmal war sein Grinsen fast hörbar.

    »Herr Kollege Hoffmann. Das Planspiel ›Lungenpest‹ hat heute abend um fünf Uhr begonnen. Mein Stab und ich hielten es für angezeigt, an ausgesuchten Kliniken mit einem realistischen Szenario zu beginnen. Die hustenden Herrschaften in Ihrer Ambulanz führen Protokoll. Wie lange hat es gedauert, bis sich ein Arzt um sie gekümmert hat? Wann wurde an den Mundschutz gedacht? Wann wurde das Robert-Koch-Institut informiert, wann und wie effektiv die Isolation durchgeführt? Unsere Auswertung wird zeigen, wie Ihre Klinik da abgeschnitten hat, Dr. Hoffmann.«

    Ich vermutete meinen Blutdruck inzwischen etwa in Valentas Bereichen.

    »Du kannst mich mal, Zentis. Hast du eine Vorstellung, wie viele echte Notfallpatienten du heute abend gefährdet hast? Wie viele wirklich kranke Leute wir in dieser Zeit nicht versorgen konnten? Ich hoffe, auch das haben deine Leute fein säuberlich protokolliert und du hast deine Haftpflichtversicherung bezahlt.«

    So schnell jedoch ließ sich Dr. Manfred Zentis, leitender Arzt des ärztlichen Dienstes der Krankenkassen und zur Zeit medizinischer Leiter des Planspiels »Lungenpest«, nicht einschüchtern. Das Eingeständnis eigener Fehler war seine Sache noch nie gewesen, hauptsächlich deshalb, weil er sie gar nicht erkannte.

    »Glauben Sie wirklich, Kollege Hoffmann, daß unsere Kliniken bei einem Terroranschlag nicht auch ihren üblichen Verpflichtungen weiter nachkommen müssen? Wie gesagt, das Planspiel hat begonnen. Sie sind, wie Sie wissen, verantwortlich für die Bezirke Wilmersdorf/Charlottenburg und Zehlendorf/Steglitz. Deshalb wäre es ratsam, daß Sie sofort Ihre Aufgaben hier im Krisenstab übernehmen.«

    Na klar, was Schöneres, als heute nacht mit Zentis im Sandkasten zu spielen, konnte ich mir nach den vergangenen sechsunddreißig Stunden nicht vorstellen. Aber wollte ich unsere Humana-Klinik nicht ins Visier der Sparkommissare beim Senat und bei den Krankenkassen bringen, blieb mir keine Wahl, als seinem Ruf zu folgen. Die erste Runde war eindeutig an ihn gegangen.

Kapitel 10

    Ich will ehrlich sein: Die Tage beim Planspiel »Lungenpest« haben eigentlich Spaß gemacht. Es war eine Abwechslung in der alltäglichen Klinikroutine, eine Ablenkung von meinen Gedanken an Celine und ihren ungeklärten Tod, und es brachte einiges Vergnügen, alle verfügbaren Krankenwagen und Hundertschaften von Polizisten und Feuerwehrleuten auf dem Stadtplan zu verschieben, den Fernverkehr am Bahnhof Zoo stillzulegen, die Kinos und Restaurants in meinen Bezirken zu schließen. Daneben beobachtete ich Zentis und wartete auf Fehler, aber der hatte die Übung lange geplant

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