Hundertundeine Nacht
unerlaubt von der Übung entfernt und Dr. Zentis kritisiert – ein vielleicht viel größerer Fehler.
»Was anderes, Beate. Was flüstern die Buschtrommeln über den neuen Chefarzt?«
»Vital soll sich bei den Bewerbungen auf die Rangfolge geeinigt haben. Erst einmal werden Rang eins bis drei zum Gespräch eingeladen.«
Beate zog mich zur Seite. Natürlich wußte sie, daß auch ich mich beworben hatte, und beide wußten wir, wie gering meine Chancen standen. Unter anderem, weil sich mein Verständnis von »Teamgeist« nicht mit dem der Zentrale deckte. Aber Beate wollte mir noch etwas anderes berichten.
»Übrigens, Baran hat mich angerufen.«
Baran war der Berliner Führer der »National Union of Kurdistan«, mit dem ich auf Celines Beerdigung gesprochen hatte. Meines Wissens waren in der »NUK« die meisten Exilkurden zusammengeschlossen, und nach Celine war Beate deren primäre Kontaktperson in Berlin geworden.
»Und? Er hatte mir versprochen, daß seine Leute im Irak Erkundigungen einziehen. Ist was herausgekommen?«
»Ja.«
Beate zögerte.
»Komm schon, was hatte er zu berichten über Celine?«
»Nichts Eindeutiges. Aber unter den Kurden munkelt man, Celines Lieferung sei ›nicht sauber‹ gewesen.«
»Nicht sauber? Was soll das heißen?«
»Sie hören sich weiter um, bis jetzt wissen sie noch nichts Genaueres.«
Was hatte das zu bedeuten? Hatte der Verfassungsschutz recht, hatten Celine und Heiner am Ende doch in Osteuropa irgendwelchen Sprengstoff für die Kurden zugeladen? Wußten sie es vielleicht gar nicht? Oder Heiner wußte es, Celine aber nicht? Und dann war ihnen irgendwie die Ladung um die Ohren geflogen, und die Auskunft der Iraker stimmte? Wir waren beide ziemlich ratlos.
Ich zog mich in mein Dienstzimmer zurück und begann, den Stapel auf dem Schreibtisch abzuarbeiten. So wütend und damit so effektiv, daß ich am Abend damit fertig war. Plötzlich überkam mich wieder diese Furcht vor dem Sonntagabend. Ich griff zum Hörer, Beate war auch noch in ihrem Büro. Ich fragte sie, ob sie mich nicht morgen, als Ausgleich für letzten Sonntag, bekochen wollte.
»Ich weiß nicht, Felix ...«
»Was heißt ›ich weiß nicht‹?« Wieder fiel mir ein, wie wenig ich über Beate wußte. »Du hast erst neulich behauptet, nicht so schlecht wie Celine zu kochen!«
Beate lachte.
»Und dabei angemerkt, daß das kaum möglich sein dürfte.« Sie schien einen Moment zu überlegen. »Also hör zu, wir können gerne gemeinsam essen. Aber nicht bei dir und nicht bei mir.«
»Neutrales Territorium?«
Keine Antwort.
»Ich glaube, du bist einfach nur faul, Beate!«
Schließlich einigten wir uns auf Luigi.
»Da essen wir gut und tun etwas für die deutsch-italienische Freundschaft.«
Position 14°34'Nord / 19°53'Ost,
150 Seemeilen westlich von Dakar
Stückgutfrachter MS »Virgin of the Sea«
Überflug Satellit DSP 22 (Typ keyhole 11) berechnet für 22:13 GMT. Maschinen gestoppt von 18:00 Uhr GMT bis 22:30 GMT. Alle Lichter an Bord gelöscht von 22:00 Uhr GMT bis 22:30 GMT.
Kapitel 12
Luigi, Inhaber und Chefkoch des gleichnamigen Restaurants, war Celines größter Fan, gleich nach mir. Gelegentlich vielleicht noch vor mir. Jedenfalls hatte ich das deutliche Gefühl seiner Mißbilligung, als ich am Sonntagabend mit Beate bei ihm auftauchte. Jeder Zoll diskreter Gastronom, erwähnte er Celine allerdings mit keinem Wort, fragte nicht nach Neuigkeiten, bis ich ihm von selbst die offizielle Version erzählte.
»Signorina Celine e una bomba? Mai!« meinte auch er.
»Übrigens, Sie kennen Beate. Sie ist die beste Freundin von Celine«, stellte ich vor.
»Ma certo!«
Luigi schlug sich erleichtert an die Stirn und schloß nun auch Beate in sein italienisches Männerherz mit dem großen Raumangebot ein.
Was nicht wirklich schwer war. Beate hatte wieder mit der kosmetischen Industrie kooperiert, aber das Ergebnis machte ernsthafte Vorbehalte gegen diesen Industriezweig problematisch. War das Parfum mit Pheromonen angereichert? Außerdem hätte mich interessiert, ob ihr der Widerspruch zwischen ihrem »nicht bei dir und nicht bei mir« und der geballten Weiblichkeit, mit der sie nun daherkam, klar war. Jedenfalls schien jetzt auch mir ihr Beharren auf »neutralem Territorium« eine vernünftige Idee. Egal, wir verbrachten einen angenehmen Abend bei Luigi, und am Ende gab es einen kurzen Abschiedskuß, diesmal immerhin auf den Mund.
»Und wie geht es weiter?«
Es gab
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