Hundertundeine Nacht
es, ihr aus dem Weg zu gehen. Und statt des üblichen Mittagessens in der Personalcafeteria ließ ich mir von Schwester Käthe etwas von dort mitbringen. Doch früher oder später war es nicht mehr zu umgehen, schließlich arbeiteten wir unter demselben Dach: Auf dem Weg zur Intensivstation kam sie mir entgegen, und kein Fluchtweg war in der Nähe.
»Hallo Felix. Du weichst mir doch nicht aus, oder? Ich habe gestern das Sonntagabendinner bei dir vermißt.«
»Warst du nicht bei dieser Verwaltungsleiterkonferenz von Vital?«
»Das war letzte Woche, mein Lieber. Wir sprachen davon.«
Also schön, ich gab es zu. Gab zu, daß ich unsicher war, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte, wie jetzt unser Verhältnis zueinander war, wie unser Erlebnis zu der Freude paßte, mit der ich und sicher auch Beate Celine zurückerwarteten.
Beate schaute sich um, stellte fest, daß wir allein waren, und gab mir einen schnellen Kuß.
»Felix, du bist ja richtig altmodisch! Das finde ich süß! Aber mach dir keine Sorgen. Du und Celine, das ist doch fast perfekt, für komische Typen wie euch jedenfalls. Da würde ich mich nie dazwischendrängen. Ich habe wirklich nicht das Gefühl, meine beste Freundin hintergangen zu haben.«
Was mehr konnte ich mir wünschen? Lieber eine Beate, die sich jeden Abend auf meinem Anrufbeantworter ausweinte? Oder plötzlich mit ihrem Hausstand vor meiner Wohnungstür auftauchte? Sicher nicht. Aber ein bißchen weniger cool durfte sie schon sein. Das ist das Problem mit der männlichen Buddelkastenpsyche, daß man es ihr kaum recht machen kann.
»Also, Felix. Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Laß uns einen Kaffee trinken, denn wir müssen wirklich ein paar Dinge von dieser Verwaltungsleiterkonferenz besprechen. Und außerdem, ob wir und wie wir Celine helfen können.«
Wir gingen in mein Dienstzimmer mit seiner altgedienten Kaffeemaschine. Bei Beate gab es zwar ein superschickes italienisches Espressoteil, aber ihr Büro bedrückt mich immer etwas durch seine Größe. Vielleicht fürchtete ich mich auch vor ihren afrikanischen Schnitzereien.
»Also, was gab's auf der Konferenz?«
»Punkt eins war die Geschichte mit der Sicherung der Klinik gegen Penner, Verrückte, Terroristen. Ich habe erzählt, unser Konzept dazu sei fast fertig.«
Stimmt. Beate hatte mich vor Zentis' Pestübung damit beauftragt, und ich hatte vergessen, den Auftrag weiterzugeben. Jedenfalls konnte nach wie vor jedermann ungehindert in der Humana-Klinik ein- und ausgehen, und im Zweifelsfall auch eine Wasseraufbereitungsanlage beziehungsweise einen Ultrafeinstvernebler neuester Bauart hinausschleppen. Ich wollte gar nicht erst daran denken, was man sonst noch alles hineinschleppen könnte!
»Ich kümmere mich darum.«
Beates Blick bedeutete, daß sie da ihre Zweifel hatte. Ich auch.
»Das große Thema aber war die Arbeitsorganisation, die Optimierung von bekannten Arbeitsabläufen. Ich fürchte, in Kürze werden hier die berühmten Damen und Herren mit der Stoppuhr auftauchen.«
Na wunderbar. Dann würde ich am Ende wenigstens wissen, ob ich statistisch zu oft aufs Klo ging und einen Urologen konsultieren sollte. Und wie viele Überstunden wir aufzuschreiben vergessen.
»Und was ist dann mit dem Arzt-Patienten-Verhältnis? Mit der Schweigepflicht?«
»Genau das war der Punkt, an den sie nicht gedacht hatten. Deshalb haben wir noch eine Gnadenfrist. Am Ende schummeln sie es sicher einfach in den Behandlungsvertrag zwischen Klinik und Patient, den liest sowieso niemand.«
Ich war nicht ganz bei der Sache, da ich wußte, daß wir bald auf Celine zu sprechen kommen würden. Und mich noch nicht entschieden hatte, was und wieviel ich Beate über den aktuellen Stand erzählen sollte. Als es soweit war, erzählte ich immerhin von meinem Besuch bei ihren Eltern. Ich fand, zumindest Beate hatte ein Recht darauf, an meinen Erkenntnissen teilzuhaben.
Sie nahm mich in die Arme.
»Felix, da schmeißen wir ein gigantisches Fest, wenn Celine wieder bei uns ist!«
War es vielleicht wirklich so leicht, und ich war einfach ein unverbesserlicher Pessimist, der nicht erkannte, daß sich am Ende alles zum Guten wenden würde?
Wohl doch nicht ganz, denn bevor wir uns trennten, hatte Beate noch etwas für mich.
»Du hast mich gar nicht gefragt, was auf der Konferenz zum Thema neuer Chefarzt für die Innere besprochen wurde.« Stimmt, hatte ich nicht. Das Thema war mir im Moment nicht sehr wichtig,
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