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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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nicht abschicken. Bjørk wollte sie mit nach Hause nehmen, noch einmal darüber nachdenken und sie dann in ein oder zwei Wochen selbst abschicken. »Ich schwör’s«, sagte sie mit überzeugender Stimme, bevor sie, gefolgt von mir, aus der Einfahrt trippelte, ein paar Geschichten erzählte und mir an der Ecke des Tunøvejs zum Abschied einen Kuß gab. Und die Scheidungsunterlagen? Sie verschwanden irgendwo, und ein paar Monate später stand Bjørk wieder da, und die ganze Geschichte wiederholte sich.
    Wie gesagt, Bjørk fing an, einen gewissen Ekel gegenüber ihrem alkoholisierten Ehemann zu empfinden. Träume, die direkt aus irgendeinem Arztroman zu stammen schienen, suchten sie des Nachts heim, und auch im wachen Zustand begannen Arztromane Einzug in ihr Leben zu halten. Sie kaufte sie in der nahe gelegenen Buchhandlung und verschlang sie hemmungslos in jeder freien Minute. Askild empfand für das neue literarische Interesse seiner Frau nichts anderes als Verachtung und versuchte ohne größeren Erfolg, sie für Kunstbücher und Jazzplatten zu begeistern. Allerdings ließ es sich nicht leugnen, daß Bjørk in dieser Angelegenheit voreingenommen war. Im Kubismus sah sie nichts anderes als die Verrücktheiten ihres Ehemannes, und in der Jazzmusik hörte sie nur seinen klirrenden Hang zu Flaschen. Ja, im lebenslangen Kampf zwischen Askilds sogenannten hochkulturellen und Bjørks sogenannten populärkulturellen Neigungen verbarg sich im Grunde genommen das gesamte Destillat ihrer Beziehung, und dieser Kampf wurde nur zum Teil eingestellt, als Bjørk auf ihre alten Tage einen gewissen Geschmack an den Glückseligkeiten von Spielhöllen fand. Jedesmal, wenn sie nachts das Knarren von Askilds Bett hörte, erwachte sie aus Angst, daß er zu ihr rüberkommen und sein Recht als Ehemann einfordern würde. Ihr Herz hämmerte, ja, sie hatte regelrecht Angst, und wenn er, selten genug, wirklich einmal kam, schloß sie nur die Augen und stellte sich die weichen Hände eines Arztes vor, die glückliche Illusion eines Pastellbildes, wie sie die Umschläge ihrer inzwischen ziemlich großen Sammlung von Arztromanen und Heftchen zierten.
    In schwachen Momenten frage ich mich, ob es wirklich wahr sein kann, daß mein Vater als Fünfjähriger Stimmen hörte. Daß er in einer Art telepathischem Kontakt mit Thorstens Todesdrama stand, und niemand Geringerer als Rasmus Raffzahn, der grand old man des Nordlandpacks, zu seinem Urenkel zurückkehrte, nachdem er seinen Sohn über den Todesfluß geleitet hatte, um in dessen Ohren zu plaudern, wenn er mit seinen Ungeheuern im Spülschrank saß: Reichtum wird fließen, Münzen wird es regnen, und das Gold wird seinen Weg auf die Böden der Kisten finden , salbaderte er. Ja, ich frage mich, ob es wirklich wahr sein kann, daß Bruchstücke von Raffzahns schlichter Philosophie, Lehrsätze und Sinnsprüche wie: Seine Schwächen zu kennen, ist wichtig, aber die Schwächen der anderen zu kennen, ist noch wichtiger. Schlag erst einmal zu, frag hinterher. Gerüchte sind Gold wert: Häng dem Schwein irgendwas an!  – daß solche Sätze in dem Schrank unter der Spüle auf Widerhall stießen. Doch so war es. Anfangs wurden sie noch in einem seltsamen Zustand zwischen Skepsis und Schreck empfangen, später allerdings, als er nach und nach mit Raffzahns derber Stimme vertraut war, wartete er sehnsüchtig auf sie und begegnete ihr mit Bewunderung und kindlicher Freude.
    Nach Anne Katrines Geburt wurde Raffzahn ein häufiger Gast im Schrank unter der Spüle, und wenn er nicht gerade seine Sprüche herunterleierte und seinem Urenkel die grundlegenden Elemente seiner unsympathischen Philosophie einflüsterte, verfiel er in nostalgische Lobgesänge auf Bergen, die goldene Stadt, einem Mekka für Freibeuter und Goldgräber. Bald erschien Segelohr Bergen wie das große Kreuz auf der Schatzkarte, und er begann, seine Eltern über die Stadt auszufragen: »Stimmt es, daß es dort so viele Krebse im Hafen gibt, daß man sie einfach vom Kai aus hochschaufeln kann? Stimmt es, daß alle reich werden in Bergen?«
    »Wovon quatscht der Bursche?« knurrte Askild.
    »Vielleicht, mein Kleiner …«, war hingegen Bjørks Antwort.
    Trotz der guten Ratschläge eines rücksichtslosen Gespenstes darf nicht verheimlicht werden, daß der Aufenthalt in Stavanger in vieler Hinsicht ein langes Es geht bergab war. Sogar das Mädchen, Stavangers absoluter Lichtpunkt, bereitete ihnen mehr Sorgen als Freude. Erst bekam sie eine

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