Hundsleben
Herz
Sorgenfalten auf der Stirn. Gerhard spürte, dass Herz dieser Verdacht, die
Dorfjungs könnten etwas damit zu tun haben, sehr beunruhigte. Der Eicher-Sohn,
der sicher Papas Schlüsselkarte klauen konnte. Ein angehender Zimmerer, der
Galgen schreinerte. Und ein Jungbauer, dem gerne mal die Hand ausrutschte. Das
passte alles wie die Faust aufs Auge. Er würde mit den Jungs reden müssen, aber
das würde er nur zusammen mit Evi machen. Fürs Erste würde er Frau Pfingster
aufsuchen und sich dann mit dem Team zusammensetzen. Außerdem hatte er Evi
angesimst und als Antwort erhalten: »Bin auf dem Weg, komme um fünf ins Büro.«
Der Schnee sank noch immer. Die Straße von Steingaden
nach Peiting war er wissentlich auch noch nie gefahren, sie war kurvig, in
einer Kurve überholte ihn so ein tiefergelegter Landjugendlicher im
Kamikazestil. »Wer einen Feuerwehrmann fickt, fickt sicher«, stand auf der
Heckscheibe. Na, vielleicht war der Knabe zu einem Einsatz unterwegs, welcher
Art auch immer. Gerhard hoffte nur, er musste den Typen nicht in einer der
nächsten Kurven aus dem Auto kratzen, Verkehrsunfälle verursachten bei ihm
extrem schlechte Laune. Weil das noch sinnlosere Tode waren als die, die er
aufzuklären hatte. Da gab es zumindest Motive, Menschen, die anderen auf die
Füße getreten waren. Bei Verkehrsunfällen traf es meist die, die einfach eine
Sekunde lang in ihrem kleinen Leben am falschen Ort gewesen waren. Gerhard sah
dem Auto nach, auch ein Audi, Audis waren beliebter hier als BMW s. Er musste an diesen Luggi denken,
Audi-Luggi von der Wies. Der fuhr wahrscheinlich auch wie ein Irrer. Er fädelte
auf die Umgehungsstraße ein, verfluchte kriechende Lkws und bog beim Hetten
dann wieder ab. Der Hof der Frau Pfingster lag am Abhang des Hohen Peißenbergs.
Annerose Pfingster, was für ein duftiger Name! Allein
es roch hier weniger duftig. Die Dame war Schweinezüchterin, und er wurde
attackiert von einer Sau, die schauerlicher war als alles, was er je zuvor
erblickt hatte.
»Eine echt arme Sau, ein sogenanntes Minischwein.
Wurde dann leider zu groß für die Couch und auch noch geschlechtsreif.
Unvermittelbar, solche Tiere!«, sagte sie zur Erklärung.
Frau Pfingster war eine resolute ältere Dame mit
wachen lustigen Augen. Sie lächelte ihn an und fragte: »Sie wollen wahrscheinlich
keine Katze?«
»Nein.« Er zog seine Marke. »Weinzirl, Frau Pfingster,
ich müsste Ihnen ein paar Fragen stellen.«
Sie bat ihn in eine enge Stube, ein sabbernder
Perserkater belegte seinen Schoß, das Schweinemonster zog sich unter die Treppe
zurück. Gerhard berichtete knapp vom Massaker auf dem Gut und darüber, dass ihr
Name gefallen sei, auf die Frage, wer denn nicht zum Fanklub gehört hatte.
Sie lachte leise. »Das haben Sie von der Erika, gell?«
»So offensichtlich?«, fragte Gerhard und lächelte.
»Die Erika ist eine Base von mir. Sie hat bei mir auch
eine Weile geholfen, aber die Erika hatte einen Drang zu Höherem. Sie glaubt
immer, dass sie im Glanz der Lea Pia auch etwas angestrahlt wird. Die Erika ist
sehr leicht zu beeinflussen. Menschen ohne eigene Meinung sind da sehr
gefährdet. Ihr teigiger Kern ist formbar. In jede Richtung.« Sie zuckte mit den
Schultern.
Gerhard musste grinsen. Die Beschreibung war
trefflich. »Angeblich sind Sie neidisch, dass im ›Gut Sternthaler‹ die Gelder
üppiger fließen als bei Ihnen.«
»Ach, wir kommen zurecht. Wir haben unsere
Unterstützer, unsere liebe Tierärztin Dagmar. Ich würd mich grad fürchten, wenn
ich all diese Leute am Hof hätte. Außerdem hasse ich es, wenn man mich
fotografiert. Die Lea Pia ist ja dauernd in der Zeitung. Ich helfe armen
Viechern seit Jahrzehnten und mach das, solange ich kann. Das Geld reicht
schon. Wir haben auch mal größere Summen geerbt, wir machen bloß kein
Brimborium drum.«
»So wie das Gut das macht?«, fragte Gerhard.
»Ach, ich will da gar nicht urteilen! Wissen Sie, wir
haben auch ‘ne Landwirtschaft. Wenn ich in der Zeitung les, dass ein
dreibeiniger Ochs vom Schlachter gerettet wurde und ein Fohlen mit
Verwachsungen nun weiterleben darf, dann graust es mich. Tiere haben die
Chance, eingeschläfert zu werden, im Gegensatz zu uns. Ein umsichtiger Besitzer
trennt sich auch mal, er lässt los. Wer das nicht tut, betreibt keinen
Tierschutz, sondern egoistische Tierquälerei. Man kann nicht um jeden Preis
retten, schon gar nicht, wenn das Tier den Preis bezahlt. Ein Pferd, das kaum
stehen kann! Ein Pferd ist ein
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