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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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Lauftier, ein Fluchttier, ein Herdentier! Was
für ein Leben ist das denn?«
    Gerhard überlegte kurz, er wog ab. Aber Frau Pfingster
würde es eh aus der Zeitung erfahren. Und von den Land-Buschtrommeln. »Frau
Pfingster, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass nicht nur die Hunde erhängt wurden,
sondern auch Frau Pfaffenbichler ermordet wurde …«
    »Ermordet, am Hof da draußen?«, fragte Frau Pfingster
nach einer Weile ganz ruhig.
    »Nein, in Berlin, Frau Pfaffenbichler hat da Bilder
ausgestellt.«
    Frau Pfingster sagte wieder länger nichts, bis sie
Gerhard offen in die Augen sah. »Es gab schon mal den Fall einer Dame, die all
ihr Geld in Katzen investiert hatte. Die sich verschuldet hatte. Die am Ende
nichts mehr besaß. Und die man erschlagen hat. Die Volksseele tut sich schwer
mit Sonderlingen.«
    Sie sahen beide irgendwohin, Gerhard ließ ihr Zeit.
    »Ich kann mir ehrlich gesagt eher vorstellen, dass
einer Lea Pia ermordet, als dass einer Hunde aufhängt. Die Leute hier sind in
der Lage, zu begreifen, dass die Viecher ja eigentlich nix dafürkönnen. Aber
warum in Berlin?«
    Gute Frage, die Gretchenfrage überhaupt, und Frau
Pfingster traf mit ihrem klaren Blick auf die Welt den Kern des Problems. Auch
er konnte sich eher vorstellen, dass einer in Rage geraten war und Frau
Pfaffenbichler im Affekt erschlagen hatte. Hier, vor Ort. Warum Berlin?
Verdammt gute Frage. Weil er nichts sagte, fuhr Frau Pfingster fort:
    »Lea Pia war wie ein schnell heranziehendes
Tiefdruckgebiet. Eine schwierige Person. Sie hat die Menschen überrannt. Ich
glaube, sie hat sich selber überrannt, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Gerhard verstand. Es kam häufig vor, dass Menschen
sich in eine Idee verbissen und dann wie unter Zwang losstürmten und alles niederwalzten.
Auch den eigenen Menschenverstand außer Kraft setzten, sofern der jemals
vorhanden gewesen war.
    »Lassen wir die Berlinfrage mal außen vor. Gibt es
denn Ihres Wissens jemand, der hier Grund hätte, Frau Pfaffenbichler zu
ermorden?« Er lächelte. »Außer Ihnen und Herrn Herz und ganz Hiebler.«
    »Soll ich jetzt Leute anschwärzen?«, fragte sie mit
einem leisen Lächeln.
    »Nein, sollen Sie nicht. Aber das ist eine
polizeiliche Untersuchung, ich darf und muss solche Fragen stellen. Und wenn
Sie mir was verschweigen, behindern Sie die Aufklärung eines Mordprozesses.«
    »Drohen Sie mir jetzt?« Sie sah ihn eher interessiert
an. Freundlich und offen.
    »Nein, ich mache Sie nur aufmerksam.« Gerhard lächelte
sie an.
    »Ich bin vom Leben einer Lea Pia sowohl geographisch als
auch was meine Einstellungen betrifft, Kilometer entfernt. Wir telefonieren
nicht täglich, falls Sie das meinen. Oder treffen uns an einem
Tierschutzstammtisch. Gibt’s, glaub ich, sogar, aber ich hab wie gesagt eine
Landwirtschaft. Was ich aber weiß, ist, dass die alte Frau Angerer aus
Steingaden ihr gesamtes Vermögen an ›Gut Sternthaler‹ vermacht haben soll. Und
ihr Sohn und ihre Schwiegertochter tun wohl alles, um das zu verhindern. Es
gibt nichts Notarielles, glaub ich. Ich hab das auch nur von meiner
Tierärztin.« Sie machte eine kurze Pause. »War ich jetzt eine gute
Staatsbürgerin? In Deutschland haben wir ja eh eine große Tradition im
Denunziantentum.«
    Gerhard schluckte. »Ich sehe das als rein wertneutrale
Information. Eine letzte Frage: Wo waren Sie in der Nacht von Mittwoch auf
Donnerstag?«
    Nun lachte sie laut heraus. »Zu Hause, das kann Ihnen
meine Tochter bestätigen, in Berlin war ich auch nicht, das wiederum dürfte
Ihnen die Tierärztin bestätigen, weil wir am Donnerstag hier ab acht Uhr in der
Frühe eine größere Impfaktion hatten.«
    Gerhard verabschiedete sich; als er wieder im Gang
stand, grunzte das Vieh unter der Treppe ganz schauerlich, so als wolle es ihn
verfluchen. Gefangen im Fluch der Minisau. Gerhard grinste.
    Er nahm vom Hohen Peißenberg den Weg über den Schlag;
es war dunkel geworden, und die Straße war arschglatt. Obwohl er nur noch
Schrittgeschwindigkeit fuhr, zog es seinem Bus das Hinterteil weg. Gerhard
lenkte gegen, er kurbelte wie wild und hatte gut zu tun, auf der Fahrbahn zu bleiben.
Erst in Peißenberg hatten sie gesalzen, und etwas weniger angespannt konnte
Gerhard das Gehörte überdenken. Drei rabiate Jungs und ein geprelltes Ehepaar,
da kam doch allmählich Bewegung in die Sache. Er kämpfte den Impuls nieder,
kurz bei Toni einzukehren, und fuhr direkt nach Weilheim. Wo es wieder mal
keinen Fatz von Schnee hatte. Nicht mal einen

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