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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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weit seid ihr denn mit der Frage, wer sonst
noch Zugang zum Haus hatte?«
    »Nun, eine Stunde vor der Veranstaltung waren die
beiden Türsteher da, und vom Seiteneingang hab ich eine Liste der Besucher.
Niemand dabei mit Motiv oder irgendeinem Zusammenhang mit der Ermordeten. Es
wurden allerdings auch noch Blumen geliefert, ich habe mit dem Inhaber
gesprochen, er will denjenigen ausfindig machen, der geliefert hat. Er meldet
sich.«
    »Na gut, Akim, geh nach Hause, hat nicht deine
Schwester Geburtstag?«, fragte Reiber.
    Akim nickte. In Akims weitläufiger Verwandtschaft
hatte eigentlich bald jeden Tag einer Geburtstag. »Also ab mit dir. Ich mach
mich mal noch über diese Sterne im Tierschutzhimmel schlau. Ich denk schon die
ganze Zeit nach, bei dem Namen ›Sternenhunde‹ müsste es klingeln. Da war mal
was!«
    »Na dann, gutes Grübeln.« Akim machte ein
Victoryzeichen und verließ elastischen Ganges den Raum.
    Reiber lehnte sich zurück. Verschränkte die Hände im
Nacken. Was für ein Scheiß! Sie hatten die Überwachungsvideos angesehen, sie
abgeglichen mit Bekannten, einen Innenstadtdrogendealer erkannt und einen
Taschendieb. Quod erat exspectandum – vor den Attraktionen Berlins gab es immer
die Schlangen all jener, die an der Kasse anstanden oder, den Kopf im Nacken,
irgendwas bestaunten, ein wunderbares Betätigungsfeld für einen mit schnellen
Fingern. So hatten sie zwar einigen erleichterten – im doppelten Wortsinn –
Bürgern deren Geldbörsen wiedergeben können und ein paar Handys, aber im Fall
Pfaffenbichler half das auch nicht weiter. Diese erhängten Hunde gingen ihm
nicht aus dem Kopf und der Begriff »Sternenhunde«.
    Er goss sich eine Tasse Tee ein und holte seinen
privaten Laptop heraus. Dort hatte er seine Telefonlisten, wichtige Fälle,
interessante Urteile. Er hatte es sich zu eigen gemacht, Fälle in seiner
Karriere, die ihn irgendwie besonders berührt hatten, nochmals kurz
zusammenzufassen. Aktenzeichen standen dabei und meist ein persönlicher
Kommentar. Als er über die Perlen seines kurzen Schaffens im Allgäu stolperte,
blieb sein Blick an ein paar seiner Quotes hängen: Weinzirl: sturer Sack,
aber eine prima Nase. Kennerknecht: furchtbar selbstgerechte Person, aber ganz
schön hübsch. Gott, gib mir Kraft und Verständnis für diese seltsamen Menschen
im Allgäu. Er musste grinsen und surfte weiter durch seine gesammelten
Fälle. Eigentlich frustrierend, er saß am Freitagabend allein in einem stickigen
Büro und ließ sein Leben vor sich ablaufen: Mord, Totschlag, schwere
Körperverletzung, Vergewaltigung, Lügen, Ausflüchte, große und kleine
Fluchtversuche, alle Facetten menschlichen Elends und Versagens. Er war in
seiner Münchner Zeit angelangt, wo er nicht lange gewesen war und außer einem
Totschlag in Untergiesing am Schyrenbad relativ wenig passiert war.
    Er war schon dabei, weiterzuscrollen, als er am Namen
Roswitha Maurer hängen blieb. Und auf einmal war es wieder da, als wäre es
gestern gewesen. Er hatte einige Wochen bei einer Soko für Drogen- und
Wirtschaftskriminalität Dienst getan, wo es darum gegangen war, Schiebereien
mit Tabletten, Heroin und Koks aus ehemaligen Ostblockländern aufzudecken. Die
heiße Ware wurde über arglose Touristen eingeschleust, und beim Namen Roswitha
Maurer hatte er notiert: Jeden Tag steht eine Dumpfbacke auf . Diese Frau
Maurer hatte, soweit er sich erinnern konnte, einen Hund aus irgendeinem
Ostland mitgebracht, und in der Transportbox in einem doppelten Boden hatten
die Grenzer eine ziemliche Menge Ecstasy entdeckt. Wie war das bloß im
Einzelnen gewesen?
    Er sah auf die Uhr, na gut, das konnte noch klappen.
Er suchte sich die Nummer in seinem Telefonverzeichnis. Nach nur zweimal Läuten
ging der andere dran: Valentin Veit. Reiber nannte seinen Namen, musste sich
ein paar urbayerische dumme Sprüche anhören. Veit war nämlich einer der letzten
vom Aussterben bedrohten Urmünchner, die sozusagen ihre Herkunft bis zu den
Agilolfingern nachverfolgen konnten. Aus Obergiesing, aus einem Gasserl
irgendwo gleich bei der bauhausigen TeLa-Post. Veit hatte ihn in München auch
täglich mehrmals gezwiebelt, dass er wieder mal »Walentin« gesagt hatte anstatt
»Falentin«. Nach etwas Geplänkel und gegenseitiger Kondolenz, dass man noch im
Büro saß, konnte Reiber sein Anliegen vorbringen. Die Akte der Roswitha Maurer.
»Falentin Feit« wollte ihm morgen was ins System stellen und einige Kopien aufs
Fax legen. Wie war das bloß gewesen

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