Hundsleben
aufzunehmen. Nach dem Motto »Lass uns Freunde bleiben« sahen sie sich
natürlich ab und zu. Aber eben auf einer so oberflächlichen Ebene, dass Gerhard
den Eindruck hatte, er führte mit dem Postboten innigere Gespräche.
»Also wisst ihr jetzt wirklich nichts Neues?«,
insistierte Jo.
Gerhard sah Evi an. Sie zuckte mit den Schultern.
»Okay, es steht morgen sowieso in allen Zeitungen, die
Pressekonferenz war heute. In der Nacht, also bevor Frau Pfaffenbichler am
nächsten Tag in Berlin getötet wurde, hat jemand sieben ihrer Hunde erhängt«,
sagte Gerhard schließlich.
»Wie, erhängt?« Jos schöne Augen waren weit
aufgerissen.
»An extra dafür konstruierten Galgen. Sie sind elend
krepiert.«
Als Jos Augen sich mit Tränen füllten, legte er ihr
den Arm um die Schulter und zog sie zu sich heran. Luisa stellte Ramazzotti auf
den Tisch.
»Es ist gut«, sagte Gerhard und drückte Jos Schulter.
Unsinn, nichts war gut!
Als sie sich schließlich trennten, als Evi ihn zu
Hause abgesetzt hatte, war ihm übel. Eine Übelkeit, die sich ausbreitete. Er
schaltete den Fernseher ein, zappte herum, schlief ein und erwachte um drei Uhr
morgens. Sein Pullover war nass geschwitzt, obgleich es in seiner Wohnung
höchstens achtzehn Grad hatte.
ACHT
Reiber saß an diesem regnerischen Freitag in Berlin
über den Berichten der Spurensicherung und über den Überwachungsvideos. Es war
zum Verzweifeln. Sie hatten alle neunundvierzig Mitglieder der Delegation
befragt, Aussagen verglichen, auf Flipcharts eingezeichnet, wer wen wann
gesehen hatte. Wer wann aufs Klo gegangen war, wer wann gar nicht zu sehen
gewesen war. Viele bunte Pfeile zierten diese Zeichnungen, bunt wie Lepipfa!s
Bilder waren sie. Vielleicht würden die Reiber’schen Pfeile mal was wert sein
auf dem Kunstmarkt. Natürlich hatten sich die Aussagen widersprochen, natürlich
gab es Menschen, die – würde man den Aussagen der Zeugen Glauben schenken –
heute noch auf dem Klo säßen.
Er sah auf die Uhr, fast hätte er den Termin mit dem
Abgeordneten vergessen, den er im Bundestag treffen wollte, den Mann, der Frau
Pfaffenbichler ja schließlich eingeladen hatte.
Das Büro war schlicht, der Kunstgeschmack des Herrn
Abgeordneten interessant. Eine eigentümliche moderne Skulptur passte irgendwie
nicht so ganz zu einer Patrona Bavariae, und über dem Schreibtisch ein Bild
voller Düsternis. Sollten das Blumen sein? Der Mann selbst war alles andere als
düster, ein sympathischer Mann mit offenem Blick.
»Können Sie mir sagen, weswegen Sie Frau
Pfaffenbichler eingeladen haben? Kannten Sie die Dame?«
Von seinem Gegenüber kam ein leises Lächeln. Dezent
verschmitzt, dachte Reiber. »Sehen Sie, die Dame nervt mich mit Briefen und
Mails nun schon seit drei Jahren, dass sie endlich mal eine Ausstellung auf der
Berliner Kunstbühne haben, ihre Werke der Berliner Kunstprominenz vorstellen
und für ihre gute Sache werben will.«
»Sie sagen ›nerven‹?«, fragte Reiber.
Wieder ein Lächeln. »Sie glauben gar nicht, was ich
hier alles für Bettelbriefe krieg. In etwa so: ›Ich bin politisch
interessiert, meine Frau auch, meine drei Kinder sollen mal die Hauptstadt
sehen. Laden Sie uns doch bitte nach Berlin ein.‹ Frau Pfaffenbichler war
da ebenfalls sehr vehement und ließ nicht locker. Und dann war es ja für einen
guten Zweck, ihr ein Forum für den Tierschutz zu bieten. Ihre Bilder sind
hässlich, aber der Zweck ist gut.«
Reiber konnte sich das ungefähr vorstellen. Leute,
deren politische Ambitionen darin bestanden, das Freibier bei einer
Parteiveranstaltung zu trinken, deren Gattin shoppen wollte und denen Urlaub
mit drei Kindern einfach zu teuer war.
»Wie läuft das denn generell mit diesen Gruppen?«,
fragte Reiber.
»Ich lade zweimal im Jahr Gruppen ein, das sind
Menschen, die sich ehrenamtlich betätigen, Vereine, die Jugendarbeit machen,
eben engagierte Menschen«, sagte der Abgeordnete. »Tierschutz fällt durchaus
auch darunter.«
»Das heißt aber, Sie wissen darüber hinaus nichts über
die Dame?«, fragte Reiber.
»Bedaure. Ich habe mir auch schon den Kopf zermartert.
Ich meine, wir reißen uns nicht gerade um diese Publicity, dass eine bayerische
Künstlerin und Tierschützerin in der Bayerischen Landesvertretung ermordet
wird.«
Auf seinem Tisch lagen ein paar Zeitungen mit bunten
Aufmachern über den »Bayernmord«. Nein, dachte Reiber, er beneidete den Mann
nicht um seinen Job. Immer das rechte Maß zu finden, die Wortwahl
Weitere Kostenlose Bücher