Hundsleben
Ich denke auch gleich wieder darüber nach, ich mach
nur noch kurz einen Abstecher.« Gerhard fuhr nach Fronreiten und bis zum Wrack
von Luggi.
»Der hat den Wagen aber sauber abgeschossen! Weinzirl,
du solltest die Landjugend nicht immer so gemein vor dir hertreiben.« Evi
lächelte. »Und was machen wir jetzt hier?«
Gerhard winkte Evi zu sich heran. Öffnete Luggis
Blechhaufen. Auf der Rückbank lagen drei Sprühflaschen: neongrün, orange und
kornblumenblau. »Na, in dem Punkt stimmt die Story schon mal!«
»Können wir dann bitte mal wieder Zivilisation
erreichen? Ich brauch jetzt einen schönen Tee und ein Stück Kuchen.
Nervennahrung!«
Im Gegensatz zu ihm hatte Evi ja noch gar nichts
gegessen, und so steuerte Gerhard wieder nach Steingaden, was Evi aber immer
noch nicht urban genug war. Also fuhren sie nach Weilheim. Der samstägliche
Einkaufswahnsinn hatte seinen furiosen Höhepunkt erreicht. Sie kämpften sich
durch die tütenbepackten Menschen, landeten schließlich im Krönner, und Evi
bekam eine Linzer Torte und einen Früchtetee. Gerhard orderte einen doppelten
Espresso und gleich noch einen. Wach zu sein war ja nie von Nachteil.
Es war Evi, die als Erste sprach. »Also gut: Wir haben
drei Jungs, die eine ungeliebte Tierschützerin los sein wollen. Ihre geplante
Sprayer-Attacke scheitert daran, dass sie gestört werden. Sie werden Zeuge
eines ganz üblen Massakers an den ebenfalls ungeliebten Hunden. Ich nehm das
den Jungs eigentlich schon ab, dass sie das abgestoßen und erschüttert hat.
Okay: Wer waren dann die anderen drei Männer, und wie passt Sandra Angerer da
ins Bild?«
»Vielleicht hat sie die Männer aufgehetzt, bezahlt,
was weiß ich denn. Sie hasste Hunde und sie hasste Frau Pfaffenbichler«, meinte
Gerhard.
Sie konnten momentan wenig unternehmen, es war einfach
in mehrfacher Hinsicht unpassend, dass in zwei Tagen Weihnachten sein sollte.
Evi fuhr ihn nach Hause, und er beschloss, seine Wohnung ein wenig zu putzen.
Auch mal die Spülmaschine in Gang zu setzen. Die verklebten Teller lebten ja
schon fast. Er schlief wie immer vor dem Fernseher ein, erwachte mit Kreuzweh. Tja,
das Alter: Wenn dir in der Frühe nichts mehr wehtut, bist du tot, oder so
ähnlich.
ELF
Eigentlich hasste Gerhard Sonntage. Öde Tage, an denen
alles in Agonie versank. Wo man lange schlief, fettes Essen mit der Familie
einnahm, dann dünnen Kaffee und schließlich kinderwagenschiebend auf dem immer
gleichen Spazierweg endete und irgendwie bis zum »Tatort« über den Nachmittag
kam. Sonntage waren biestige Tage, man durfte weder Rasen mähen noch das Auto
waschen. Nun konnte Gerhard zum Ersten schon mal gar nicht lange schlafen, er
war meist um sechs wach, ob er wollte oder nicht. Gegen fettes Essen hätte er
nichts einzuwenden gehabt, allein es mangelte an Familie. Er fuhr so selten ins
Allgäu, und wenn er sich mal zu einem Besuch durchrang, ließ seine Mutter meist
verlauten, dass sie nun gerade eben auf dem Sprung nach Mexiko, Nepal oder
zumindest Ligurien seien. Zum Wandern meistens, er gönnte ihnen den aktiven
Ruhestand von Herzen. Beim Thema Kinderwagen war er auch raus, Rasen mähte er
nicht mal samstags, und sein Auto hatte er zum letzen Mal in einer Zeit
gewaschen, die außerhalb seines Erinnerungsrahmens lag.
Gerhard seufzte, er sollte sich wirklich ein Hobby
zulegen. Bis ihm ein Interessengebiet einfiel, braute er sich einen Kaffee und
ging anschließend joggen. Fadensonnen hatten sich durch die dünne, hohe
Wolkendecke gearbeitet. Die Wiesen waren einfach noch viel zu grün, vor allem
wenn man bedachte, dass morgen Weihnachten sein sollte.
Die Stunde draußen hatte ihm gutgetan, er nahm eine
Dusche, rasierte sich mal mit mehr Zeit als sonst und fühlte sich richtig
luxuriös, als er Herren-Gesichtscreme auftrug. Die hatte ihm Jo geschenkt,
nicht ohne blöden Spruch natürlich. Jos Anruf vorhin hatte er ignoriert, er
hatte einfach gar keine Lust auf Fragensalven. Weil ihm immer noch kein Hobby
eingefallen war, er keinen Christbaum zu schmücken hatte und keine Geschenke zu
verpacken, beschloss er ins Büro zu fahren. Einen Vorteil hatten Sonntage,
dachte er: Kein Schwein ruft dich an, keine Sau wirft Türen zu oder lamentiert
am Gang rum.
Gerhard las sich Reibers Berichte und die Ergebnisse
der Spusi nochmals durch und beschloss, die Videos der Überwachungskameras in
der Bayerischen Vertretung anzusehen. Er wusste selbst nicht so genau, was er
sich davon versprach, aber mit einem Seufzen
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