Hundsleben
lagen Höfe, ein Bauer, der im Hof gerade Holz abschnitt,
fluchte ihnen hinterher, er hatte einfach wenig Sinn für winterliche
Autorennen.
Gerhard knüppelte die Gänge zwischen dem zweiten und
dritten Gang hin und her, man mochte ihm ja viel nachsagen, aber Auto fahren im
Winter, das konnte er. Der Wagen vor ihm saß mehrfach auf, na, ob das der
Ölwanne so gutgetan hatte? Allerdings darauf zu warten, dass das Öl auslief und
der Motor deshalb kollabieren würde, das lag weniger in Gerhards Absicht. Der
Audi war erneut nach rechts abgebogen, der Weg wurde etwas besser, der Junge
gab Gas, zu viel Gas. Denn auf einmal brach das Heck weg, der Wagen stach mit
der Schnauze rechts in den Zaun ein, schlingerte nach links, rutschte über eine
Art Holzplatz und stoppte mit dem unerfreulichen Geräusch von splitterndem Glas
und knirschendem Blech direkt unterhalb einer kleinen Felswand oder eines
überdimensionalen Steins, den ein kleines Kreuz zierte. Und auf einmal wusste
Gerhard, dass er vor Jahren schon mal hier gewesen war, zusammen mit einem
Kumpel aus Trauchgau. Hier gab’s ein Waldfest, das Waldfest von Fronreiten,
deshalb war ihm der Name irgendwie bekannt vorgekommen. Wo aber im Sommer die
Goaßln schnoalzten und der Grill vor sich hin dampfte, stieg heute in der
winterlichen Einsamkeit nur der Rauch aus der Kühlerhaube des Audis auf.
Gerhard stieg aus, die Tür des Audis öffnete sich
auch. Hoffentlich rannte der dumme Junge jetzt nicht auch noch los, auf einen
Dauerlauf hatte Gerhard jetzt wahrlich gar keine Lust mehr. Aber der Typ
starrte sein Auto an, trat dann mit einem herzhaften »Scheiße« gegen den
Hinterreifen.
»Der ist im Arsch, würd ich sagen!«, meinte Gerhard.
»Luggi, nehm ich mal an. Mein Name ist Gerhard Weinzirl von der Polizei, und
eigentlich bin ich gar nicht so übel, dass man wie abgestochen davonrasen muss!
Luggi, warum wollten Sie denn so gar nicht mit mir reden?«
»Weil Bullen Ärger bedeuten«, sagte Luggi, den Blick
immer noch auf den Schrotthaufen geheftet.
»Ich vergess jetzt mal den ›Bullen‹. Ich vergess auch
eventuell unsere kleine winterliche Ausfahrt, wenn Sie jetzt mal brav
einsteigen und wir zurück zu Eichers fahren. Wenn nicht, dann hagelt es saftige
Anzeigen: Beamtenbeleidigung, gefährliches Verhalten im Straßenverkehr und so
weiter und sofort.«
»Und das Auto?«, fragte Luggi.
»Das holen Sie dann später unauffällig ab.« Gerhard
schenkte ihm ein kleines Grinsen.
Dieser Luggi seufzte, alle Pein des Verzweifelten im
Blick. Sein ganzer Stolz, der Audi, war tot. Mausetot! Wortlos stieg er in
Gerhards Auto ein.
»Geht’s da geradeaus weiter?«, fragte Gerhard.
Luggi nickte. Sie erreichten Fronreiten, allmählich
konnte sich Gerhard wieder orientieren. Als sie wieder in Hiebler bei den
Eichers vorfuhren, sagte Luggi: »Und jetzt?« Gerhard spürte, dass dem Jungen
der Arsch auf Grundeis ging.
»Jetzt setzen wir uns alle in die Stube, und dann
wollen meine Kollegin und ich eine tadellose Geschichte hören, wieso ihr im Gut
wart. Aussteigen!«
Evi kam ihm entgegen. Sie grinste. »Die beiden anderen
Herren sind in tiefes Schweigen versunken. Aber ich nehm mal an, dass der Herr Rennfahrer
da seinen Kumpels klarmachen kann, dass jetzt mal die Klappe aufgeht.«
»Muss a Mordsweib wie du ausgerechnet zur Bullerei?«,
fragte Luggi, der eher resigniert als beeindruckt wirkte. Wahrscheinlich
beeindruckte ihn generell wenig, er war allein aufgrund seiner Erscheinung der
Typ Alphatier. Groß, sehr kräftig, ohne fett zu sein, mit gewaltigen Oberarmen.
Er war rotblond, sein Gesicht war eher rund als kantig, er hatte rote Backen
und graublaue Augen, aus denen eigentlich eher was Gemütliches sprach. Er war
so eine Marke: schnell auf hundertachtzig, aber auch schnell wieder
runtergekühlt. Anscheinend befand er sich in der Abkühlungsphase.
Evi sah ihn an. »Für ›Germany’s Next Topmodel‹ bin ich
zu alt. Aber danke fürs Kompliment!«
Auch Eicher war vor die Tür getreten. »Mei, i versteh
das alles it. I …« Er war völlig aus dem Konzept. Das alles hier passte
überhaupt nicht in seine Welt. Er war ehrlich betroffen.
»Des wert scho, Herr Eicher. Des wert scho. Bringen
Sie uns doch mal ein Bier. Dene Deppen da auch.« Gerhard wies auf die Jungs und
klopfte Eicher jovial auf die Schulter.
»Und die hübsche Dame?«, fragte Eicher.
»Ein Wasser wär fein, darf auch aus der Leitung sein«,
meinte Evi und ließ Luggi und Gerhard den Vortritt in die Stube.
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