Hundsleben
sagen. Es sei denn, Sie wissen Bescheid!« Gerhards Ton war alles
andere als freundlich.
Angerer musste schon ein sehr guter Schauspieler sein,
dachte Gerhard, und er schätzte Sandra Angerer auch eher so ein, als hätte sie
den Berlintrip als Egotrip geplant, ja die Abwesenheit ihres Mannes ausgenutzt.
Angerer machte eine fahrige Handbewegung in Richtung
Wohnzimmer. Sandra Angerer war gerade dabei, das Kind mit Joghurt mit
Bananenstückchen zu füttern. Es war schwer zu sagen, wie alt das Mädchen war,
das Downsyndrom war klar erkennbar. Das Mädchen hatte engelsgleiche Löckchen,
lachte gerade. Als sie eintraten, begann das Kind zu weinen.
»Das haben Sie ja prima hingekriegt!«, sagte Sandra
Angerer. Ihr Ton war eisig, aber sie blieb ganz leise, um das Kind nicht weiter
zu beunruhigen.
»Frau Angerer, mein Name ist Volker Reiber, ich
ermittle im Mordfall Pfaffenbichler in Berlin. Sie sind beschuldigt, Frau
Pfaffenbichler umgebracht zu haben. Ich darf Ihnen die Rechtsbelehrung kurz
vortragen.«
Gerhard ahnte, warum Reiber so gestelzt sprach und so
hochoffizielle Worte verwendete. Er ging davon aus, dass Sandra Angerer sowieso
nichts sagen würde.
Reiber fuhr fort. »Ich sage Ihnen auch gleich, warum
wir Sie beschuldigen. Sie haben meine Kollegen angelogen. Sie waren sehr wohl
in Berlin. Das können wir beweisen. Sie waren zum Mordzeitpunkt akkurat genau
in Berlin!«
Von Arthur Angerer kam ein Schrei. »Sandra!?« Darin
lag so viel Verzweiflung, viel mehr, als nur diese Eröffnung in ihm ausgelöst
haben konnte. In diesem Schrei lagen Jahre des Unverständnisses für seine Frau,
sosehr die ihn wohl auch liebte und er zu ihr hielt.
Sandra Angerer sah starr vor sich hin. Dann blickte
sie auf. Das Kind hatte aufgehört zu weinen und starrte sie auf eine Weise an,
die Gerhard fast dazu veranlasst hätte, wegzusehen.
»Ich mach nur Angaben zur Person. Keine zur Sache.
Ohne Anwalt sage ich gar nichts«, stieß sie aus.
»Das ist Ihr gutes Recht, Frau Angerer. Informieren
Sie Ihren Anwalt. Wir laden Sie für morgen früh vor, zehn Uhr in Weilheim.«
Gerhard nannte die Adresse.
»Was? Sie können meine Frau doch nicht am 23. so
überfallen. Morgen ist Weihnachten. Und wo soll sie bitte morgen einen Anwalt
hernehmen?« Angerer war total von der Rolle.
»Herr Angerer, ich kann mir auch einen Haftbefehl
besorgen. Verbrechen haben Vorrang, sogar vor der Heiligen Nacht und dem lieben
Jesuskind.« Gerhard hatte die Augenbrauen hochgezogen und starrte Angerer an.
Das war Show, denn der Staatsanwalt hätte ihm einen Haftbefehl nie
unterzeichnet. Das reichte einfach nicht.
»Gut«, meinte Reiber. »Morgen zehn Uhr. Wir finden
raus.«
Als sie draußen standen, machte Evi: »Puh! Bei denen
möchte ich jetzt Mäuschen sein. Der hat echt nichts gewusst, oder?«
»Nein, ich denke, nicht«, meinte Gerhard.
Reiber hatte die Lippen gekräuselt. »Interessante
Frau. Sehr entschlossen. Ich hab noch drauf gewartet, dass sie sich auf Artikel
drei der Menschenrechtskonvention beruft. Sie hat juristisches Wissen. Sie war
auf uns vorbereitet. Harter Brocken, die Dame.«
Gerhard sah Reiber ganz kurz von der Seite an. Er
teilte Gerhards Einschätzung, hatte das binnen zehn Minuten erfasst. Reiber war
schon ein sehr guter Mann.
»Und nun?«, fragte Evi.
»Nun warten wir den morgigen Tag ab«, sagte Gerhard.
»Und wenn sie gar nicht kommt?« Evi war irgendwie
aufgebracht.
»Evi-Maus, mehr Optimismus«, und zu Reiber gewandt: »Heit isch heit und morga isch morga.« Er lächelte dabei.
Reiber grinste zurück. »Ja, und heit hob i Hunger!«
Das war zwar nicht ganz astreines Allgäuerisch, aber Gerhard war nahe daran,
den alten, einst so verhassten Kollegen zu mögen.
»Oh nein, nicht schon wieder ein Mann mit Hunger!«,
stöhnte Evi.
»Doch.« Reiber versuchte ein Bäuchlein
herauszustrecken, was ihm bei seinem durchtrainierten Körper kaum gelang. »Ich
hab schon ein Hungerödem!«
»Ein vernünftiger Mann! Was essen wir?«, fragte
Gerhard.
»Halbe Sau mit Semmel?«, antwortete Reiber.
»Bloß nicht schon wieder so was Bayerisches!« Evi
schüttelte sich. »Dann wenigstens zu Toni, da kann ich ‘nen Bauernsalat essen.«
»Da kommt der Mann aus Berlin und soll zum Griechen!
Gönn ihm doch was Bayerisches!« Gerhard schüttelte den Kopf.
»Grieche ist schon okay, ich ess in Berlin nie
griechisch. Wo ist der?«
»In Peißenberg«, sagte Evi.
»Gibt’s da auch ein Hotel, wo ich mein Haupt später
betten kann?«, fragte
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