Hundsleben
begann er seine Sonntagsmatinee.
Tja, da waren eben Leute zu sehen. In Gängen, vor
Zimmern, vor dem Gebäude. Menschen jeden Alters und jeder Hautfarbe, Männlein
und Weiblein. Schiache und hübsche. Wozu machte er das eigentlich? Da blieb
sein Blick an einem Gesicht hängen. Es war undeutlich zu sehen, eine dicke
Mütze in Orange verdeckte die Haare. Die Person war zudem durch eine andere
verdeckt. Aber doch, irgendwie! Gerhard tippte etwas halbscharig auf der
Tastatur umher, wie konnte man daraus jetzt was vergrößern? Verdammte
hinterlistige Maschinen, Werke des Elektronikteufels! Er griff zum Telefon.
»Evilein, was machst du gerade, meine Beste?«
»In der Nase bohren, warum?«
»Könntest du dich ins Büro aufmachen? Ich brauche
Hilfe. Deine kundige Hilfe.«
»Der Einschaltknopf am PC ist links hinten, wenn es das ist!«, lachte Evi.
»Nein, über dieses Stadium bin ich bravourös hinaus.
Ich habe sogar eine DVD eingelegt.
Aber nun …«
»Ich bin unterwegs. Mach mir ‘nen Tee – solange.«
»Jawohl, meine Gnädigste.«
Als Evi eintraf, hatte Gerhard ihr wirklich einen Tee
aus ihrer Spezialmischung gebraut, und zwar mit dem Tee-Ei und nicht mit dem
Supermarktbeutel.
Evi setzte sich umgehend an den PC . »Die Überwachungsvideos aus Berlin?«
Gerhard nickte. »Und diese Person hätt ich gerne
größer!« Er tippte mit dem Finger auf den Bildschirm.
Evi runzelte die Stirn. »Mensch, meinst du wirklich?«
»Größer!«
Evis schlanke Finger glitten über die Tastatur. Und da
war das Bild. Nicht ganz scharf, die Person sah auch nicht direkt in die
Kamera. Die Mütze hatte sie relativ weit ins Gesicht gezogen, aber es waren
diese Augen. Es war die Blässe, es waren die Wangenknochen.
»Das ist ja ein Ding!«, rief Evi.
»Allerdings, da wird uns Sandra Angerer aber eine sehr
gute Geschichte erzählen müssen«, grummelte Gerhard.
»Verdammt, mit welcher Kälte hat die uns angelogen!«
Evi war immer noch fassungslos.
»Mit der Kälte der Verbitterung. Mit der Kälte eines
Menschen, der nichts mehr zu verlieren hat«, sagte Gerhard. »Ich wusste, dass mit
der Dame was nicht stimmt.« Obwohl ich mir gewünscht hätte, es sähe anders aus,
fügte er im Geiste hinzu. Manchmal machte es keinen Spaß, recht zu haben.
In dem Moment ging Evis Handy. »Herr Reiber, das ist
ja eine Überraschung. Ach so, Sie haben meine Nummer rausgefunden. Ja, der
Weinzirl geht selten an seins. Wahrscheinlich hat er es auch gar nicht an.«
Die beiden plänkelten eine Weile noch hin und her,
während Gerhard sein Handy zückte. Es war tatsächlich aus. Evi reichte ihm das
Telefon.
»Reiber, das ist ja sozusagen Gedankenübertragung, ich
wollte Sie auch eben anrufen. Wir haben gerade einen Durchbruch erzielt. Ich
denke, wir haben Ihre Mörderin.« Gerhard fasste kurz zusammen: die Motive einer
Sandra Angerer, ihre Lügen, dass er und Evi sie eindeutig auf dem Foto
identifiziert hatten. »Wir fahren da gleich nochmals raus. Kommen Sie denn
runter zu uns, Reiber?«
Gerhard hörte eine Weile zu. Reiber beglückwünschte
ihn zu seinen guten Augen, und Gerhard nahm das jetzt mal nicht als Ironie.
Reiber wollte kommen, und zwar so schnell wie möglich, ob sie mit dem Verhör
auf ihn warten könnten? Jetzt war es elf. Mit einem schnellen Wagen konnte
Reiber gegen fünf da sein. Also bitte, warum nicht? Dann kam Reiber zum
eigentlichen Grund seines Anrufs. Er erzählte Gerhard, was das Stöbern in der
Historie von »Sternenhunde« und »Gut Sternthaler« so ans Tageslicht gebracht
hatte. Dass er damals in München dabei gewesen war, als diese Flugpatin des
Drogenschmuggels überführt worden war.
»Ja, schön, Reiber, das spricht nicht gerade für
saubere Methoden bei holländischen Tierschutzdamen, aber Sie haben keinen
Anhaltspunkt, dass Frau Pfaffenbichler etwas damit zu tun hatte. Und selbst
wenn, mir erschließt sich da kein Zusammenhang mit dem aktuellen Fall, Reiber.
Jetzt sausen Sie mal südwärts, und dann sehen wir schon. Rufen Sie an, wenn Sie
am Autobahnende bei Seeg sind, wir treffen uns direkt in Urspring!
Wahrscheinlich sind Sie eher dort als wir, wenn wir zeitgleich in Weilheim
losfahren. Urspring ist von Weilheim Lichtjahre entfernt. Servus, Reiber.«
Als er aufgelegt hatte, fiel Gerhard auf, dass Reiber
am 23. Dezember über Deutschlands Autobahnen rasen würde. Hatte der auch keine
Familie?
»Reiber kommt!«, sagte er zu Evi.
»Wann?«
»Jetzt, also ich meine, nachher«, sagte Gerhard.
»Heute? Am
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