Hundsleben
Evi.
»Dann haben die Fotos gemacht, man hat auf jeden Fall
Blitzlicht gesehen, und dann sind die über die Mauer. Man hat ein Auto gehört,
einen schweren Diesel, würd ich sagen«, meinte Luggi. Klar, mit Autos kannte er
sich aus.
»Und ihr?«
»Wir haben ein bisschen gewartet und sind dann ganz
schnell raus«, flüsterte Beni.
Gerhard nahm einen großen Schluck Bier. »Mir stellen
sich da jetzt einige Fragen. Erstens: Es wurden doch nicht alle Hunde
aufgehängt, haben die anderen nicht gebellt?«
Seppi sah ihn überrascht an. »Na, des stimmt. Es war
total still.«
»Gut, zweitens: Wo sind die Sprühflaschen?«
»Die haben wir wieder mit. Die liegen in meinem Auto«,
sagte Luggi.
»Drittens: Wieso habt ihr das niemandem erzählt?«
»Weil wir total geschockt waren. Es sah so übel aus,
diese Hunde, ich mein …« Beni hatte begonnen, leise zu weinen.
»Ja, die Pfaffenbichlerin ist eine dumme Sau«, mischte
sich Luggi wieder ein, »und es ist der totale Scheiß, aus dem Ausland Hunde zu
holen. Da hocken genug in den Tierheimen hier. Aber so was zu machen, so was …«
Er brach ab.
»Habt ihr denn jemanden erkannt?«, fragte Gerhard.
»Nein, es war ja dunkel, und die hatten Mützen mit
Löchern auf«, sagte Luggi.
»Irgendwas Auffälliges an der Statur, ein Hinken oder
so?«
Kopfschütteln.
»Größe?«
»Na ja, die waret weder bsonders groß no bsonders
kloi«, meinte Seppi schließlich.
»Ihr seid dann zurück auf das Fest und habt
weitergefeiert?«, fragte Evi.
»Feiern war des it, wir, wir … I träum von dene Hund.«
Seppi klang zutiefst verstört.
Seine Worte füllten den Raum aus, Eicher bekreuzigte
sich nochmals. Gerhard war geneigt, die Geschichte zu glauben, so abenteuerlich
sie auch war.
»Was habt ihr denn für Schuhgrößen?«, fragte Evi.
»Siebenundvierzig«, meinte Luggi. »Fünfundvierzig«,
kam von Beni und Seppi unisono.
»Gut.« Gerhard atmete tief durch. »Ich sag euch jetzt
mal, wie das weitergeht: Ihr müsst eure Aussagen in Weilheim am Montag zu
Protokoll geben. Ihr werdet eure Eltern informieren müssen. Ich sehe von einer
Anzeige wegen Einbruchs und Behinderung einer polizeilichen Untersuchung ab,
wenn das reibungslos klappt. Wir müssen Abdrücke vom Pick-up nehmen, um
wirklich sicherzugehen.« Alle drei nickten eilfertig, sogar der coole Luggi war
ganz zahm. »Gut, dann raus, alle drei!«
Die drei Jungs standen linkisch auf, und im Rausgehen
sagte Luggi doch tatsächlich: »Danke.«
Eicher wirkte gebrochen. »I glaub des it!«, stammelte
er. »Dass die Burschen so was vorhatten.«
»Herr Eicher, wenn diese ganze Geschichte stimmt, dann
war das den dreien womöglich eine Warnung. Wenn sie stimmt, stell ich mir das
so vor: Diese unbekannten Männer fahren durch den Wald an die Mauer, diese
Galgen aufgeladen. Sie werfen den Hunden wahrscheinlich Fressen hin, das mit
einem Betäubungsmittel versetzt ist. Sie hängen die leblosen Tiere auf, machen
Fotos und verschwinden. Die Burschen haben das beobachtet, in der Nacht waren
also sechs Männer auf dem Grund des Gutes. Da ging es ja zu wie im
Taubenschlag. Aber die einen drei wussten nichts von den anderen!«
Gottlob wussten sie nichts, dachte Gerhard. Denn wer
bereit war, Hunde zu erhängen, hätte für Augenzeugen sicherlich auch nette
Schweigehilfen parat gehabt. Wenn das alles so abgelaufen war, dann musste man
davon ausgehen, dass alle Hunde betäubt worden waren, aber nicht alle erhängt.
Verdammt, dachte Gerhard und wandte sich an Eicher. Es half ja nichts.
»Herr Eicher, ich weiß nicht, ob ich Ihnen das zumuten
kann: Aber Sie müssten uns einen der Hunde wieder ausgraben.« Er erklärte
Eicher seine Annahme und dass er gerne nachweisen würde, was für eine Art
Betäubungsmittel das gewesen war.
Eicher musste das alles erst mal erfassen und nickte
dann. »Wenn’s hilft.«
Tja, das war die Frage, ob das helfen würde, aber sie
mussten jeden Strohhalm ergreifen. »Ich schick Ihnen jemanden, der den toten
Hund abholt. Herr Eicher, ich danke Ihnen. Und bitte kommen Sie am Montag mit
dem Seppi.«
Sie erhoben sich, hörten ein Scharren hinter der
Küchentür. Sie wussten, dass Frau Eicher die ganze Zeit gelauscht hatte, aber
es nie gewagt hätte, reinzukommen. It’s a man’s world, dachte Gerhard.
Hier draußen bestimmt.
Als sie vom Hof fuhren, ächzte Evi: »Du lieber Himmel,
was ist das denn für eine krude Geschichte?«
»Tja, Jagdszenen aus Oberbayern. Wer früher stirbt,
gibt uns länger Rätsel auf.
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