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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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hattest und nicht
bereit warst, sie zu revidieren. Außerdem war dein Kopf voll, wenn nicht in
Gerhard, dann warst du in diesen Martl verliebt, und der war pikanterweise mein
Hauptverdächtiger, ein Sportsuperstar, was war denn ich gegen so einen?«
    »Volker, ich weiß nicht. Ich dachte immer, du
schwimmst im Selbstvertrauen, hast Arroganz einfach inflationär zur Verfügung.
Was du gewesen wärst gegen den Superstar? Ein normaler Mann vielleicht, der
kein schlechtes Gewissen gegenüber seiner Frau und Familie gehabt hätte. Weißt
du, der Herr Superstar hat mich schon durch ein paar sehr tiefe emotionale
Täler getrieben, und doch konnte ich’s nicht lassen. Es war die Hölle, ihn am
nächsten Tag zu sehen, aber nicht anfassen zu dürfen, nicht lieben zu dürfen.
Mein Leben war in der Zeit mehr Talsohle als Gipfelsturm.«
    »Ja, ich weiß, es ist schwer, auszusteigen, wenn man
liebt oder glaubt zu lieben. Wenn man nicht zurückgeliebt wird.« Reiber
lächelte ein so melancholisches Lächeln, dass Jo versucht war, ihn
augenblicklich zu umarmen. Was sie aber nicht tat.
    »Aber du hättest doch mal einen Vorstoß machen können,
ich meine, am Ende, als die ganze Wahrheit über Martl zum Greifen nahe war, da
waren wir doch ein gutes Team«, sagte sie.
    Reiber lachte trocken. »Inmitten von Menschen, die
mich grauenvoll fanden, wie hätte ich da reagieren sollen? Bei dir vor der Tür
stehen? Fragen, ob wir Freunde werden oder so? Auch du warst zeitweise sogar
eine Verdächtige.« Er sah aus dem Fenster, und plötzlich sagte er leise: »Hättest du mit mir geschlafen damals?«
    Jo war aufgestanden. »Aber du hast dich doch nicht für
mich als Frau interessiert! Das haut mich jetzt schon etwas aus den Socken. Aus
den Skisocken oder Bergsocken. Was hättest du denn von einer Frau mit dreckigen
Gummistiefeln und Karohemd gewollt?«
    Reiber hatte sich Jo wieder zugewandt und sah ihr in
die Augen. »Es ihr ausziehen? Wie wäre das gewesen?«
    »Aber ich passe doch nicht in dein Beuteschema. Du
stehst doch auf blonde Hungerhakenmodels, auf stylishe Großstadtpflanzen, die
am Mineralwasser nippen. Du trinkst ja selber keinen Tropfen Alkohol. Was
hättest du mit einer übergewichtigen, Wein saufenden Bauersfrau zu tun haben
wollen?«
    »Erstens mal hast du kein Übergewicht, höchstens ein
paar Pfund an jenen Stellen, wo sie bei Frauen auch hingehören. Und zweitens: Woher weißt du eigentlich, auf was ich so stehe? Und drittens: Willst du jetzt
so einen abgedroschenen ›Salz auf unserer Haut‹-Vergleich heranziehen?«
    »Ja, vielleicht, die Rollen waren doch verteilt: die
Bäuerin, gesellschaftlich nicht vorzeigbar, nicht alltags- und stadttauglich.
Ich kann mir vorstellen, was du davon hältst, all diese arbeitsintensiven Tiere
im Haus, im Bett, einfach überall zu haben«, sagte Jo.
    »Auch das kannst du nur annehmen, nicht wissen.
Außerdem hast du mir deutlich zu spüren gegeben, dass du deine Berge nicht
loslassen kannst, dass du Schwaben wegen ihres Dialekts hasst und Augsburger
insbesondere!«
    »War ich echt so schlimm?«, fragte Jo.
    »Ja, und jetzt sag: Hättest du damals mit mir
geschlafen?«, fragte Reiber leise.
    Jo sah ihn überrascht an. »Nein. Wahrscheinlich nicht.
Quatsch: sicher nicht!«
    Reiber lachte. »Und heute?«
    Auch er war aufgestanden. Jo ging auf ihn zu und legte
vorsichtig ihren Kopf an seine Brust. Sie standen lange so da, mitten im
Zimmer. Dann stiegen sie die steile Treppe hinauf.
    »Heute schon«, flüsterte Jo.
    Jo glitt ab, gedankenlos, schwerelos, seelenlos.
Reiber war durchtrainiert ohne Bodykult, er hatte seine Brusthaare stehen lassen
in Zeiten des Androgynenwahns. Er war ein Mann voller Sicherheit. Als sie
aufwachte, lag Reiber auf der Seite und schien kaum zu atmen. Ein Mann, der
nicht schnarchte! Und auf einmal wusste Jo, dass es nicht bloß Schwarz und Weiß
gab. Nicht nur Sex oder keinen Sex, sondern ein instinkthaftes Zwischenstadium,
das keiner Begründung bedurfte. Grautöne zwischen Licht und Schatten konnten so
sexy sein. Sie schlief wieder ein. Am nächsten Morgen lag da statt Reiber
Bianchi von Grabenstätt. Sie hatte eine ihrer schmalen weißen Pfötchen zierlich
auf einen Zettel gelegt. Jo zog ihn vorsichtig heraus:
    »Ich bin in Weilheim bei einer Befragung. Habe
gehört, hier gäbe es heute eine Party, ich würde gerne kommen. Wenn du mich
also haben willst?«

ZWÖLF
    Sie trafen sich in Weilheim. Die drei Jungs samt
Eltern – auch bei Luggi war der Papa dabei gewesen

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