Hundsleben
letzte Chance.«
»Schöne Geschichte, Frau Angerer! Und wie sind Sie
denn nach Berlin gelangt? Hat Sie jemand gesehen? Haben Sie irgendwo
übernachtet? Kann jemand Ihre Geschichte bestätigen?«, fragte Gerhard, der nun
auch noch Kopfweh bekam.
»Ich bin in der Nacht auf Donnerstag nach Berlin
gefahren. Ich war um zehn Uhr da, habe gefrühstückt, habe mich herumgedrückt
bis zu dieser Vernissage. Als sie mich dann gar nicht reingelassen haben, bin
ich wieder nach Hause gefahren. Ich war kurz nach eins am Freitag wieder
daheim.«
»Ziemlicher Höllentrip, so ganz ohne Schlaf«, maulte
Gerhard sie an.
»Es ist kaum relevant, wie viel meine Mandantin
schläft!« Die Anwältin sah ihn provozierend an.
Evi, die mit Reiber zusammen draußen geblieben war,
streckte den Kopf herein. »Entschuldigung, Gerhard, könntest du kurz mal?«
»Was ist denn jetzt los? Willst du einen auf
Dramaturgie machen?« Gerhard merkte selbst, dass er ein bisschen zu laut
geworden war.
Evi runzelte nur die Stirn. »Die Ergebnisse des Hundes
sind da. Vielleicht hilft uns das weiter.«
Sie lasen den Bericht. Die Hunde waren mit Valium
betäubt worden. Bei einem Zehn-Kilo-Hund reichte eine Fünf-Milligramm-Tablette,
dass er selig schlief und auch wieder aufwachte.
»Kein explizites Mittel aus der Tiermedizin! Valium
hat ja bald jeder wie Aspirin zu Hause, das hilft uns nicht weiter«, sagte
Reiber.
»Das heißt aber auch, dass irgendjemand die Hunde
aufgehängt haben kann, der über wenig Fachwissen verfügt und eben keinen Zugang
zu Medikamenten für tierärztlichen Gebrauch hat. Die Dosierung findet man
wahrscheinlich im Internet«, meinte Evi.
Gerhard hatte gar nichts gesagt. Er zum Beispiel besaß
kein Valium, er besaß Weißbier, aber jeder hatte da so seine Präferenzen bei
den Drogen. Jo hielt es mit Weißwein, verdammt, warum fiel ihm eigentlich immer
Jo ein? Er ging nun wieder in den Verhörraum.
»Frau Angerer, haben Sie Valium zu Hause?«
»Ja, warum?«
»Weil man damit wunderbar Hunde in Schlaf versetzen
kann! Frau Angerer, ich glaube Ihnen sofort, dass Sie keine Hand an Hunde
anlegen, aber wen haben Sie dazu angestiftet?«
»Herr Weinzirl.« Die Anwältin konnte irgendwie das
Gesicht so verziehen, dass ihre spitze Nase noch spitzer wirkte. Sie klang, als
redete sie mit einem nörgelnden Kleinkind. »Meine Mandantin hat ihre Aussage
gemacht. Sie hat nichts zu verbergen, deshalb ist sie hier auch termingerecht
erschienen. Von Hunden wissen wir nichts. Wir reichen Ihnen gerne die
Tankquittungen meiner Mandantin nach – ansonsten gehen wir dann jetzt.« Sie
erhob sich, Sandra Angerer auch. »Ach ja, frohe Weihnachten, Herr Weinzirl!«
Als die beiden draußen waren, hieb Gerhard ganz kurz
und hart auf den Tisch. Hoffentlich hatten Reiber und Evi das nicht gesehen.
Sie saßen bereits im Büro, Evi hatte ihm Kaffee hingestellt.
»Damit kriegen wir sie nicht!«, sagte Reiber.
»Nein, und die Story ist perfekt. Denn sie passt genau
zum Zeitrahmen. Sie gibt alles zu, außer der klitzekleinen Tatsache, dass sie
Frau Pfaffenbichler ermordet hat«, sagte Evi. »Mist, aber auch! Sie ist
wirklich abgebrüht.«
»Und es fehlt die zweite Kleinigkeit, dass sie nämlich
jemanden angestiftet hat, diese Hunde aufzuhängen. Du sagst ›Zeitrahmen‹, Evi!
Das passt auch hier: Sie wartet ab, bis die Bilder gemacht sind, fährt nach
Berlin, konfrontiert Frau Pfaffenbichler mit den Bildern. Diese Bilder sollen
der Tierschützerin zeigen, dass es Sandra Angerer ernst ist. Sie will, dass
Frau Pfaffenbichler das echte Testament rausrückt und/oder auf die Erbschaft
verzichtet. Irgendwie kommt es zum Streit, wie gesagt: Totschlag im Affekt.«
Gerhard nahm einen kräftigen Schluck Kaffee und fühlte sich immer noch wie
durch den Fleischwolf gedreht.
»Aber ein Schlagstock. Hätte Sandra Angerer einen
Schlagstock?«, fragte Reiber.
»Es muss ja kein echter Schlagstock gewesen sein. Es
kann etwas gewesen sein, das ein ähnliches Muster abgibt«, sagte Gerhard. »Ihr
werdet doch zugeben, dass das alles passt wie die Faust aufs Auge, wie der
Stinkefuß in den Turnschuh.«
»Ja, das mag alles sein, aber allein die Tatsache,
dass sie da war, genügt uns nicht. Wir in Berlin müssen Beweise finden, dass
sie es war. DNA , sonst was – und
ihr hier braucht diese Hundehenker. Wenn da einer redet und sagt, die Idee
hätte von Sandra Angerer gestammt, dann haben wir sie.« Reiber klang nun auch
ein wenig zornig.
»Schließt ihr wirklich aus, dass das
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