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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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geäußert hatte.

    «Schreiben Sie mal wieder ein Buch?» fragte er, und damit fand diese Sache hier ein Ende. Sowtschick begleitete die beiden neuen Freunde, mit Freiexemplaren reich bedacht, hinaus. Ob das eine «Irische Wolfsmilch» sei, fragte der Vertreter noch, als er die Corgies sah, was die Nichten «total ätzend» fanden.

    Die Männer stiegen in ihr Auto, die Nichten schoben es jubelnd an. Und als das geschehen war, wußte Sowtschick, daß sich das Blättchen gewendet hatte. Der Linden-Wirt hatte sein Ohr am Volk: Die Ohltrop-Mörder oder die Torfarbeiter hatten das Mädchen vermutlich auf dem Gewissen.

    Draußen vor dem Tor waren inzwischen von Dornhagen und Gabriele eingetroffen. Das Löwenheckerchen hatte einen schwärmerischen Zug um die Augen, Engelbert war ernst. Nur zögernd kamen sie herein, wie fremd tasteten sie sich in die Halle: Was war anhängig? Worum ging es?

    Voll von Wundern war ihnen die Welt, ein Reh hatten sie gesehen! So was gibt’s ja überhaupt nicht mehr! Mit großen Augen hatte es auf dem Weg gestanden, und eine Eule war über die Schneise gestrichen.

    Der kleinen Gesellschaft stellte sich nun die Frage, was mit «dem angebrochenen Nachmittag» anzufangen wäre. Von Dornhagen wußte genau, was er wollte. Er fahre nach Hamburg zurück, sagte er, die Lage habe sich hier ja jetzt entspannt.

    Gabriele sagte: Hamburg? Sie müsse auch nach Hamburg. Material besorgen für eine Jahresarbeit über einen modernen Schriftsteller, sie habe das schon viel zu lange hinausgezögert. Und sie denke eben, ob sie nicht über ihn … ?

    «Wissen Sie was?» sagte von Dornhagen, «ich nehme Sie einfach mit. Jetzt sofort! Nein, keine Widerrede! Wir können im Wagen unser Gespräch fortsetzen, und morgen früh gehen wir in Ruhe Ihre Arbeit durch…» Übermorgen habe er nämlich schon keine Zeit mehr für Hilfestellungen, da müsse er einen wichtigen Termin wahrnehmen, einen Essay für den «Globus» schreiben über die verschiedenen Parteien, und nächste Woche fahre er nach Mainz wegen der Revolutionsakten von 1792.

    Das war ja praktisch. «Gabriela», wie Engelbert von Dornhagen das Löwenheckerchen nannte, sprang rasch in ihr Zimmer und holte den Kulturbeutel, eine letzte Umarmung der beiden Freunde – «Halt dich wacker» –, dann winkten die Zurückbleibenden den roten Rücklichtern nach.

    Die Nichten, nunmehr fast volltrunken, hatten Swingplatten der dreißiger Jahre aufgelegt und tobten durch das Haus. Rebecca schoß mit einer Spielzeugpistole in die Gegend, einer nach dem andern mußte tot umfallen.

    Petra hatte einen Beutel mit bunten Steinen gefunden, für eine Mark und fünfzig in Idar-Oberstein gekauft, die säte sie draußen auf dem Kies aus: Was da die Leute wohl für ein Gesicht machen, wenn sie das entdecken? Dann umhalsten die Nichten ihren Onkel und benäßten seine Wangen mit feuchten Küssen und gingen trällernd zu Bett.

    Adelheid stieg nach oben auf den Boden, um ihre Kammer zu lüften. Sowtschick hingegen zählte unten im Keller, von den Nacht-Silvesters beobachtet, wie viele Flaschen «L» noch übrig waren. Die würde er für sich reservieren, ein fabelhaftes Getränk.

    Dann kam es zu einem Ortswechsel. Sowtschick suchte die Fluchtburg auf, um Tagebuch zu führen: «Von Dornhagen dagewesen, netter Kerl, Gabriele irgendwie enttäuschend … will Jahresarbeit über Dornhagen schreiben!», Adelheid hingegen brachte ihre Wäsche in den Keller und tat sie in die Waschmaschine.

    Sowtschick legte sich, so wie er war, aufs Bett und versuchte, in seinem «Cerberus»-Buch zu lesen, die deutschen Schiffe erreichten gerade den engsten Teil des Kanals, durch den sie sich nun hindurchzwängen mußten. Adelheid machte sich, wie er hörte, in der Küche ein Brot. Sie stieß die Besteckschublade mit dem Bauch zu und packte die Spülmaschine voll.

    Sowtschick legte das Buch fort. Nein, er war sich noch ein Abendlied schuldig, sich, dem Haus und den Hunden; und dem Mädchen Adelheid, das ihn so liebevoll betreute. Er stiefelte also noch einmal hinunter, an der Toilette vorüber, in der sich die beiden Nichten geräuschvoll erbrachen, und er sah voll Freude, daß Adelheid auf ihn zu warten schien.

    Wie ist die Welt so stille
und in der Dämmerung Hülle
so traulich und so hold …

    Während er das schöne Lied vom guten alten Claudius mit größtmöglichem Ausdruck spielte, kam sie herbei und löschte im Hintergrund ein Licht nach dem andern.

    Verschon’ uns Gott mit Strafen
und

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