Hundstage

U-Boot-Nachtglas, wie das Tier angehalten wurde. Die Mädchen wechselten. Das schwarze schwang sich nach Cowboy-Art auf den Rücken des Ponys und trieb es mit den Fersen an. Dahin ging die wilde Jagd! Die Fahrradspuren der Klasse 11 c und der Abdruck seiner Gummisohlen wurden mit den Hufen zerstampft.

    Erst am Krahtberg, der kein Berg war, sondern ein Hügel, kamen die Mädchen Sowtschick abhanden. Einen weiten Bogen um sein Haus ritten sie, das wußte er, das hatte er schon mitgekriegt, aber nur klein war der Sektor, in dem er sie beobachten konnte.

    Sowtschick stand in der muffig-heißen Bodenkammer unterm «Dachjuchhe» und ließ das erregende Bild noch ein wenig in sich nachklingen. Dann freute er sich über die schöne Aussicht, die seine Frau von hier oben hatte, der Wald und der sich schlängelnde Weg. In den Wolkentürmen umkreisten Raubvögel einander.

    Er ließ das Glas sinken und sah sich um. Hier also lebte Marianne, merkwürdig, wie wenig er von diesem Leben wußte. Ein Bett, ein Stuhl, ein Tisch. Und auf dem Tisch ein welker Blumenstrauß.

    Ja, alt und welk bin ich, dachte Sowtschick traurig, obwohl er so alt noch gar nicht war, und er klappte ein wenig in sich zusammen. Alt und welk. Und dann ging er langsam nach unten. Rote Aufkleber auf den Stufen zeigten seiner Frau an, wo, an welcher Stelle die Holztreppe nicht knarrte. Es war ratsam, für alle Hausbewohner, auf die Dinger zu achten. Wer das nicht tat, riskierte, daß Alexander wutschäumend aus seinem Schlafzimmer getobt kam.

    A m Nachmittag setzte die Gegenwirkung der Schlaftablette ein. Die chemischen Kristalle der Tablette, so stellte Sowtschick sich das vor, die spitzigen Salze, beispielsweise in den Muskelfasern seines Oberarms verkeilt, müßten vom Körper nun zerdrückt und ausgeschieden werden: Gereiztheit kam in ihm auf.

    Der Wind fuhr ihm in die Zeitung, beim Klavierspiel setzte sich eine Fliege auf seine Nase – allmählich geriet er mehr und mehr in Fahrt: die Unaufgeräumtheit der Küche, das In-den-Korb-Treten beim Kaffeemachen, plötzlich entstehende Zugluft beim Öffnen einer Tür und das folgerichtige Knallen einer anderen, fern in dem großen Haus. Auch die Hunde störten ihn: Waren sie draußen, wollten sie herein, und wenn sie drinnen waren, wieder hinaus. Außerdem kam der Schornsteinfeger. Er zog die Leiche einer Taube aus dem Schornstein und hielt sie Sowtschick unter die Nase, was das für eine Schweinerei ist, die er hier angestellt hat: So was muß man doch mitkriegen, daß sich da ein Tier gefangen hat!

    «Dieses Tier hat unsagbar gelitten …»

    Wo denn seine Frau sei, wollte der Mann noch wissen (Ehen vor Gericht!), eine Frage, die Sowtschick gar nicht recht beantworten konnte.

    So war denn also nun das nächtliche Geräusch identifiziert: Eine Taube im Schornstein. Sowtschick stellte sich vor, er selbst hätte in dem engen Schlund gesteckt, womöglich kopfunter, die Arme an den Leib gepreßt… Die Nacht-Silvesters wären die Kellertreppe hinaufgestürmt und hätten das Haus kichernd in Besitz genommen.

    Sowtschick wußte sich zu nehmen, wenn er gereizt war. Um auf andere Gedanken zu kommen, schaltete er den Fernseher an.

    Eine Kindersendung stand ins Haus: «Die große Entdekkung». Zwei dumme, häßliche Jungen und drei hübsche, kluge Mädchen gehen zelten und werden dabei von einem traurigen Türkenjungen beobachtet und irgendwie irrtümlich bestohlen.

    Sowtschick holte sich ein Glas Apfelsaft und legte die Füße auf den Tisch. Ganz hübsch diese Kinder, die Mädchen in Lederhosen, die Jungen hingegen mit Brille. Die erlebten jetzt das, was Sowtschick gern erlebt hätte, als Junge, was aber zum Kotzen gewesen wäre, wie im Grunde die ganze Jugend zum Kotzen gewesen war.

    In diesem Augenblick fuhr draußen ein Auto vor, und heraus stieg Polizeikommissar Wagner. Die Autotür wurde zugeschlagen. Er trat an das weiße Tor und klingelte. Sowtschick sah durch das Fenster: Kommissar Wagner? War etwas mit Marianne nicht in Ordnung? Womöglich eine Verkehrssache oder ausgeraubt? Frankreich – da mußte man doch mit allem rechnen. Schon läutete der Kommissar ein zweites Mal, die Hunde sprangen am Zaun entlang und in die Höhe: Sowtschick war gezwungen, sich zu beeilen und ihm freudig entgegenzugehen: «Was sehen meine entzündeten Augen», sagte er zu dem Beamten, und «welch ein Glanz in meiner Hütte».

    Wagner, ein rötlichblonder Mann mit rötlichblonden Augenbrauen, drückte dem unrasierten