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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Apotheker. Der bedauerte, bei aller Liebe, nein, und: Wo kommen wir da hin? Sowtschick nahm aus dem Ständer eine Packung USTINEX-Unkrautvertilgungsmittel und wollte wissen, ob er damit seine Frau vergiften könne?

    Dazu möchte er sich nicht äußern, sagte der Apotheker nun ganz zugeknöpft: Über so was scherzt man nicht.

    Danach machte Sowtschick einen Rundgang durch das Eisenwarengeschäft. Hier standen bedächtige Bauern, die sich fragten, ob sie lieber diese Zange oder jene kaufen sollten? Beile, Sägen und Messer gab es hier in jeder Größe.

    Dieses Geschäft hält die Wirtschaft in Gang, dachte Sowtschick. Er stellte sich vor, was hier ein auf stockende Versorgung angewiesener DDR-Bürger alles einkaufen würde. Allein die Auswahl an Schrauben und Nägeln! Vorhängeschlössern! Eisenketten!

    Einem braungebrannten Verkäufer in grünem Lagerkittel, der herbeieilte, erzählte er, daß er für seine Person in diesem Jahr keinen Urlaub mache. Er persönlich habe vom letzten Jahr die Nase noch voll. Frankreich! Wenn er daran noch denke! Allen Skulpturen die Köpfe abgeschlagen und in den Hotels kein Wort Deutsch!

    Nein, sagte der Verkäufer, das könne er nicht sagen, auf dem Campingplatz, letztes Jahr, da wären auch Franzosen gewesen, mit denen hätten sie am Feuer gesessen und gesungen. Denen hätte das deutsche Bier gut geschmeckt und «Schnaps» hätten sie gar nicht gekannt.

    Der Witz von «Bad Meingarten» wurde gemacht und durch «Balkonien» gekontert und dann wurde über den Faradayschen Käfig gesprochen, und Sowtschick ließ sich schwerste Türriegel für seine Fluchtburg empfehlen und fragte, ob es nicht noch schwerere gibt. An einem Regal sah er Kälberstricke hängen, sie kosteten eine Mark das Stück. Vielleicht könnte Erika ja einen solchen Strick als Sprungseil benutzen? dachte Sowtschick und kaufte einen.

    Beim Hinausgehen traf er den Kommissar, der ihn von seiner Gattin grüßte, obwohl die doch gar nicht wissen konnte, daß er Sowtschick treffen würde. Es sei festgestellt worden, daß die Ohltrop-Mörder schon in andere alleinstehende Häuser einzudringen versucht hätten, in Hohldorf, Brockhausen und Zetel, Kratzspuren an den Türschlössern! Sowtschick sollte mal seine Türen untersuchen. Er wolle ja nicht unken, aber im Fernsehen und in den Zeitungen immer diese Fotos von seinem Haus und von all den Reichtümern und Rar-i-e-täten …

    «Wir müssen uns mal alle treffen», sagte der Kommissar in den Lärm vorbeibrüllender Laster hinein, «der ganze Kreis, in Ihrem schönen Garten, das wär doch i-de-ahl.»

    «Ja», sagte Sowtschick, «wir lassen das an uns herankommen», so was müsse in aller Ruhe auskalfatert werden, das könne man nicht übers Knie brechen. Im Augenblick habe er leider Besuch aus Fernost, da gehe es nicht, aber vielleicht im Herbst? Und er winkte dem Polizisten mit dem Strick zum Abschied zu.

    In der Schlachterei lagen abgehackte Schweinefüße in einer Reihe wie beim Gemüsehändler der Sellerie. Sauber herauspräparierte Leberstücke, in Würstchen gekuttertes Hack und unter einem Glastresen Unmengen von verschiedenartigem Aufschnitt. Hier war zwar das Griebenschmalz unter aller Würde, aber die Blutwurst konnte sich sehen lassen: fast schwarz, mit weißen Speckstückchen, äußerst appetitlich riechend und sagenhaft im Geschmack. Sowtschick mußte plötzlich an Marianne denken, wie sie Filets in die Pfanne legt, den vierten und den fünften Finger eingerollt, und dann kam ihm Haiti in den Sinn, das Mädchen, dem sie das linke Bein und den rechten Arm abgeschnitten hatten, wegen der Bettelei, und er sah die abgeschnittenen Gliedmaßen vor sich, das saftige, noch junge Fleisch.

    «Ich wäre Vegetarier, wenn Fleisch nicht so gut schmeckte», pflegte er zu sagen.

    Ein Antiquitätengeschäft gab es in Kreuzthal nicht, dafür aber einen Dritte-Welt-Laden mit Kinderzeichnungen an der Wand und extra schlecht getischlerten Regalen, den Sowtschick gern betrat, weil hier eine junge Frau bediente, die ihn immer so belustigt ansah: Was er, ausgerechnet er , in ihrem Laden zu suchen hat, wo er sich doch weder um El Salvador noch um Nicaragua kümmert! (Daß sie ihn unterderhand ein liberales Schwein nannte, war anzunehmen.) Wegen der natursüßen, also sauren Marmelade und der verschiedensten Müslimischungen betrat Sowtschick diesen Laden nicht; auch nicht wegen des Honigs, den kaufte er lieber im Reformhaus, guten deutschen Imkerhonig mit grüner Banderole, kein

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