Hundstage
mexikanisches Zeugs. Ihm gefielen der Geruch und die primitive Ausstattung des Ladens mit seinen Emanzipations-und Gesundheitsschriften, der selbstgefärbten Wolle und dem Nachrichtenbrett für jedermann: Täglich frische Schafsmilch (Stallhaltung)
Wir lösen einen biologisch angelegten
Kräutergarten auf.
Verschenke an schwangere Frauen Lindenblüten.
Auch Sowtschick verhielt sich belustigt, schob die politischen Gesundheitsbücher mit dem Zeigefinger hin und her und fragte, ob der Schirmständer ebenfalls zu verkaufen ist. Er sog den Geruch der verschiedenen Tees und Käsesorten ein und sah sich das Frauchen an. Sie trug einen faltenreichen lila Rock und eine bestickte Russenbluse, und daß sie bereits Mutter zweier Kinder war, konnte man einfach nicht glauben.
Heute nun begann er mit ihr ein Gespräch: Was sie von Indien hält, Bhopal – und so weiter. Und daß er im Augenblick das ganze Haus voll Inder hat …
Das Frauchen dachte, Sowtschicks fernöstlicher Besuch habe tatsächlich was mit Bhopal zu tun, und nahm einen bekümmerten Ausdruck an, und es machte sich irgendwie gut, daß aus der Hinterstube eines ihrer Kinder kam und sich in ihrem Rock barg.
Was sie meint, was Inder essen? fragte Sowtschick ratlos tuend.
Auch die Frau war ratlos. Schließlich fragte sie aber doch: «Bohnen…?» Und Sowtschick kaufte zwei Tüten voll, eine mit sehr roten, die andere mit sehr schwarzen Bohnen.
Schließlich fragte er die Dritte-Welt-Frau, ob es vielleicht unschädliches Unkraut-Ex gebe. Auf seiner Allee brächen immer wieder Disteln durch. Er holte aus seiner Tasche die Apotheken-Packung heraus, USTINEX, das sei ihm doch ein bißchen zu gewaltsam, er suche was Sanftes, Naturschonendes gegen die Disteln und das andere Unkraut alles.
«Unkraut?» fragte die Frau, die sich schon vorgenommen hatte, ihrem Mann, der gerade ein Fahrrad durch den Laden schob, mitzuteilen, daß Sowtschick gar nicht so wär. «Unkraut? Sie meinen wohl Wildpflanzen?», und Sowtschick geriet erneut in Verschiß, «Disteln sind doch kein Unkraut, die sind doch wunderschön!» Sie habe sich extra ein Distelbeet angelegt in ihrem Garten …
Garten, dachte Sowtschick, was für ein Wort. Und damit war dann der Besuch beendet.
Eigentlich hatte Sowtschick vorgehabt, sich noch ein wenig in die Eisdiele zu setzen. Doch hier empfing ihn laute Musik, und der Holländer, der die Eisdiele betrieb, war nicht gewillt, sie leise zu drehen, geschweige denn sie abzustellen. Als Sowtschick diesen Wunsch äußerte, machte dieser Mensch mitten in Deutschland eine sonderbare Bemerkung in seiner unverständlichen Sprache, die von einigen Gästen sogar verstanden und belacht wurde. Also würde in Zukunft auch alles Holländische zu meiden sein. Schade eigentlich, das Völkchen war doch sonst ganz originell. Aber: Gurken und Tomaten mit Plutonium bestrahlen, Flüssigeiaffären anzetteln, die Nordsee ausfischen mit zu engmaschigen Netzen und womöglich jedem, der’s haben oder nicht haben will, Rauschgift in die Hand drücken? Und nun hier noch dumme Bemerkungen machen? Schade, wirklich schade, aber nicht zu ändern.
Sowtschick fuhr mit seinem großen Wagen greisenhaft langsam nach Hause. Hinter ihm stauten sich Autos wie hinter einem Mähdrescher, und er freute sich über die Ungeduld des Fahrers hinter ihm. Es war ein Holländer! Nun betätigte der gar die Lichthupe, ob Sowtschick hier einschläft, oder was?
Sowtschick ließ sich nicht beirren, er als Deutscher konnte auf einer deutschen Bundesstraße so langsam fahren, wie er wollte, und als jener an der allerungeeignetsten Stelle zum Überholen ansetzte, legte er sacht einen Zahn zu.
Der Inder empfing ihn aufgeräumt. Er nahm die Bohnen in Empfang und sagte: Mit so was fütterten sie in Indien die Affen. Es sei eine Schulklasse aus Holzminden dagewesen, per Rad, die hätten ihn sprechen wollen, süße «Mädschen» darunter, und die Lehrerinnen hätten gebettelt, ob sie das Haus nicht mal sehen dürften, sie seien extra wegen Herrn Sowtschick aus Holzminden gekommen und sie wären schon einmal vergeblich dagewesen … und da hätte er nicht widerstehen können und hätte ihnen alles gezeigt.
Na, das war ja ein Ding. Süße Mädchen? Sowtschick lief durch alle Zimmer, ob sich nicht doch noch irgendwo eins versteckt hat. Vom Dachboden aus suchte er mit dem Nachtglas den Horizont ab, vielleicht erwischte er ja noch einen Zipfel. Einen Augenblick erwog er sogar, ob er nicht mit dem Auto
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