Hundstage
würde dieses Buch kein sogenannter «Knüller», also kein Welterfolg, durch den sich das hölzerne Rad der Kultur knarrend einen Zahn weiterdreht.
Als er gerade seine Arbeit beendet hatte, tauchte vor seinem Fenster eine Teufelsmaske aus Papier auf. Erika erlaubte sich wieder mal einen ihrer Scherze. Eine Weile war das zu ignorieren, dann stand Sowtschick seufzend auf und jagte sie ums Haus. Zum Ritus gehörte es, daß er sie als Iwan der Schreckliche verfolgte, bis sie in ihrer Höhle verschwand: «Schließ zu, schließ zu, zehntausend Eisentüren, schließ zu!» rief sie nach Kinderart, um ihn zu locken. Sowtschick packte sie am Fußgelenk, zog sie heraus und kitzelte sie durch.
Nachdem auch das vollbracht war, sah er zum Haus hinüber, ob ihn die Mädchen nicht vielleicht dabei beobachtet hätten. Das war nicht der Fall, Gott sei Dank. Wie ein aufgekratzter Hahn wäre er sich vorgekommen, der einer Henne nachrennt. Die Mädchen schossen weiterhin auf Blechbüchsen, und sie schossen nicht schlecht. Sowtschick holte die Kamera und setzte ihnen das Bundeswehrkäppi seines Sohnes auf. Er machte ziemlich viele Aufnahmen.
Zum Abendbrot, bei dem noch einmal festgestellt wurde, daß die Schlosser ja so gemein sind – es gab Rührei mit Pilzen – , hatten sich die beiden Mädchen als Damen verkleidet, mehr oder minder geschminkt, in lang, mit Mariannes Stöckelschuhen. Sowtschick klatschte Beifall, als sie erschienen, und sprach Französisch, jedenfalls soweit seine Vokabeln reichten. Eine Flasche Wein wurde aufgemacht, und Sowtschick guckte über sein Glas hinweg und wunderte sich darüber, wie perfekt sie ihre Rolle spielten. Die Konversation wurde launig der Maskerade angepaßt, es wurde angestoßen, und Sowtschick war ganz Hausherr, und er bedauerte es, daß er sich seinen Smoking nicht angezogen hatte.
Nach dem Essen legte Sowtschick einen langsamen Walzer auf – «Illusion» –, steckte Kerzen an und tanzte mal mit der einen und mal mit der anderen, Walzer mit Zwischenschritt und Linksdrehung, das konnte er noch: Seine Haltung war tadellos, sie wurde von den Mädchen sehr gelobt. Sie sollten mal selbst sagen, das sei doch ganz was anderes als dieses Diskogestampfe, sagte Sowtschick, und die Mädchen gaben das zu, ja, sie verständen es auch nicht, was die Jugend daran findet.
Dann zog die ganze Mannschaft in die Fernsehecke, ein Tablett voll klingender Gläser, Fruchtsaft, Selterswasser und Gin. Sowtschick holte die hellblaugestreifte Weste aus dem Kleiderschrank und machte jetzt den Diener. Er reichte seinen Damen die Getränke, holte dänisches Lakritzkonfekt und fragte, ob die Damen sonst noch Wünsche hätten? Und die sahen ihn verachtungsvoll an, weil sie annahmen, daß Damen so gucken. Genug des grausamen Spiels, die Damen hatten keine Wünsche mehr, sie schleuderten ihre Schuhe fort, schüttelten die Frisuren auf und machten es sich auf dem Lottersofa bequem.
Es gab einen unglücklich ausgehenden Liebesfilm. Wegen der ins Fenster einfallenden Nachtkühle saßen die drei ziemlich dicht beieinander, in Kissen und in Mariannes Kaschmirdecke gehüllt. Je weiter die Nacht fortschritt, desto mehr Kissen und Decken wurden geholt. Als dann die unglückselige Affäre – man hatte es kommen sehen – durch Schüsse endigte, standen die beiden Mädchen seufzend auf, erst die ältere, dann die jüngere, sie reckten sich und gingen zu Bett.
«Nacht, Kinder!» rief Alexander, so wie er es früher bei Schitti und Klößchen gerufen hatte. Gern hätte er ihnen einen sanften Stirnkuß hingehaucht oder gar einen empfangen. Er wußte, wenn er lange genug darauf verzichten würde, dann bekäme er ihn eines Tages ganz von selber. Das Ferkel im «Fron-Hus» hatte schließlich auch einen Kuß bekommen. Er würde zwischen den Mädchen sitzen, auf dem Sofa, in jedem Arm eine, und ihnen die Ohrläppchen reiben.
Man muß nur ein wenig Geduld haben, sie kommen lassen und nicht hinter ihnen herschmieren, dachte Sowtschick. Je länger er warten würde, desto wüster würde dann das Ende sein. So war es jedenfalls in Santa Barbara gewesen bei Freddy, dem wilden Mädchen.
Eine Weile saß Sowtschick noch da und lauschte den Duschgeräuschen und dem Türenknallen. Schließlich trat Ruhe ein. Er ließ die Hunde kurz raus, räumte die Gläser weg, an denen Fingerabdrücke und Lippenspuren auszumachen waren, faltete die noch körperwarmen Decken zusammen und schlug die Kissen auf (das würde man den beiden schon noch
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