Hundstage
beibringen, daß sie nicht alles herumliegen ließen). In der Küche war die Spülmaschine einzuräumen – kein Problem. Standuhr aufziehen, lüften. Aus.
S owtschick stieg hinauf in die Fluchtburg, pedantisch alle Glöckchen schüttelnd, die in seinem Weg hingen, um den Mädchen in ihren Zimmern zu zeigen, wie man das eigentlich machen muß, das Klingeln, damit es auch Zweck hat. Er murkste noch ein wenig herum in seinem Kabuff. Vor sich hin redend packte er zwei Ölgemälde aus, winzige Formate, Landschaften, Pendants, schon vor Wochen gekauft, Sommer und Winter darstellend – vielleicht würde er auch noch den Frühling irgendwo ergattern?
«Der Herbst kommt von selber.»
Es war noch Tagebuch zu schreiben. «An Marianne gedacht. » Die Sache mit den Euro-Schecks, in der Familie «Unsro»-Schecks genannt, daß sie das ziemlich schnell mitgekriegt hatte, wie man diese Dinger einsetzt, trotz oft beklagter Lebensfremdheit. Doch ihre partielle Bescheidenheit war erhalten geblieben, Gott sei Dank.
Sowtschick ging hinüber ins Schrankzimmer und öffnete Mariannes Abteilung. Grüne Anti-Motten-Faltblätter hingen über den Kleidungsstücken guter und schlechter Tage. Etwas leichenhaft war das alles. Blusen mit Blümchen versehen, gepunktet und uni, jede Menge Röcke, meist erfreulich eng, an speziellen Bügeln aufgehängt, dann die Kleider, angoraartige Strickangelegenheiten, weniger von Interesse, eine durchbrochene Sache, mit der Aufsehen erregt worden war, Indisches und allerhand Labberiges. Daneben hing noch immer jener Mantel von 1946 mit den großen Holzknöpfen, der getragen worden war, damals, auf dem Hauptbahnhof, als er da angereist kam mit nichts in der Tasche als ein paar Machorka-Krümeln.
Unsere Liebe ist ewig, dachte Sowtschick, und eine Dankesträne trübte seinen Blick.
Er setzte sich wieder an sein Tagebuch. Nun mußte auch etwas über die Mädchen eingetragen werden. Am besten sachlich bleiben: «Mit Adelheid und Gabriele warm geworden.»
Das singende, springende Löwenheckerchen und die Kanalschwimmerin … Wie schön wäre es, wenn jetzt eines der Mädchen hier bei ihm läge, ihren Kopf auf seiner Schulter. – Vielleicht könnte man die knappen Eintragungen in den nächsten Tagen ein wenig anheben, ins Herzliche zunächst, sodann jedoch ins Irre oder Wüste!
«Dem soll der Zahn noch triefen … », sagte Sowtschick, und er dachte an seinen Freund von Dornhagen, der als biographischer Nachlaßverwalter all dies durchblättern würde, eines Tages, zunächst rasch und immer rascher, dann zusammenzuckend und zweimal lesend.
«Dem soll der Zahn noch triefen», sagte er nochmals laut, er lachte und rieb sich die Hände.
Um zur Ruhe zu kommen, wusch er sich die Füße. Danach betrachtete er sein Gesicht im Rasierspiegel. Leicht gebräunt, und die Zähne, obwohl durch Brücken ergänzt, trotz Krieg und Gefangenschaft, noch ganz passabel. Von rechts sah er besser aus als von links, das hatte er schon mitgekriegt, und der Schnurrbart stand ihm nicht schlecht, Marianne hatte ihm das oft genug bestätigt. Die weißen Stellen darin, winzige Entsprechungen zu den weißen Strähnen in ihrem Haar, wirkten direkt charaktervoll.
Auf seinem Nachtschrank, das sah er jetzt, standen zwei gekniffte Zettel, der eine von Adelheid geschrieben, kurz und knapp: «Schlaf gut und träum schön!» Der andere in Versform, ein sich nicht reimendes Gedicht vom Löwenheckerchen: Funken, die in das samende Weltall hineinsprühen, auf Gestirne treffen und in stählerner Schwärze verglimmen.
Sowtschick legte sich auf das Bett. An den Parteien-Artikel für den «Globus» mußte er denken, den er auf keinen Fall schreiben würde, und an den jungen Mann, der ihm Gedichte geschickt hatte, die jetzt unauffindbar waren. O Gott! Womöglich käme der hier eines Tages an, wie der Student Sand bei Kotzebue, ein Messer hinter dem Rücken: «Wo sind meine Gedichte!?» Auch an die Jury-Sitzung des Barthold-Hinrich-Brockes-Preises mußte er denken, die vor der Tür stand: Und er hatte noch nichts gelesen …
Um sich abzulenken, nahm er das «Unternehmen Cerberus» zur Hand. Die Schlachtschiffe hatten bereits den Hafen verlassen, unentdeckt von dem britischen U-Boot, das auf Reede lag und dies eigentlich melden sollte. In der mondlosen Nacht dampften sie mit Höchstgeschwindigkeit dahin, von einem Kordon kleinerer Schiffe umschwärmt. Wenn das man gutgeht, mochten alle Beteiligten denken.
Sowtschicks Blick glitt über den
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