Hundstage
von gottähnlicher Harmonie so gut wie nichts an sich. Selbst ein Yellow-Press-Fotograf würde sich geweigert haben, ihn in diesem Zustand aufzunehmen.
Er ging ins Badezimmer und suchte mit dem Fernglas den Horizont nach den Pferdemädchen ab, wie Admiral Ciliax die Dunkelheit nach wegweisenden Lichtzeichen. Die triumphierende Jugend! Der Schlängelweg, die Tannen … Nichts. Wozu in die Ferne schweifen? dachte er. Schönheit und Jugend brauchte er nicht mit dem Glas zu suchen, die waren in seinem Haus vorhanden.
Er ging hinunter in den Schwimmgang und schwamm unter den Hängepflanzen hindurch, an den antiken Amphoren vorüber auf und ab. Nach jeder Runde, oder besser gesagt, Wegstrecke, machte er mit dem nassen Finger auf den Solnhofener Platten einen Strich. Zehn nahm er sich vor, und die absolvierte er spielend.
Danach fuhr er auf seinem Standrad ein paar Kilometer. Vor sich auf dem Lenker hatte er wie ein Militärmusiker eine Haltevorrichtung aus Draht mit einem aufgeschlagenen Gedichtband:
Siehe! Da weinen die Götter
es weinen die Göttinnen alle,
Daß das Schöne vergeht,
daß das Vollkommene stirbt …
Jeweils drei Tage vertiefte er sich strampelnd in dasselbe Gedicht. Er hoffte, daß eine intensive Bemühung um Lyrik die Auswaschungen in seinem Gehirn stabilisieren würde. Zur planmäßigen Einverleibung von Musik, die eher harmonisierend abrundende Ergebnisse zeitigen würde, käme Dichtung in ihrer genauesten Form.
Zum Kaffee, nachmittags, vertiefte er sich gern in Kunstbände, und er freute sich, daß er Namen wie Mondrian, Uecker oder Blechen exakt den richtigen Bildern zuordnen konnte.
Auch ein Klaglied zu sein
im Mund der Geliebten, ist herrlich …
Im Augenblick war es Schiller, den er sich freudig einverleibte, ein Dichter, der sonst nicht sein Fall war.
Im Schrankzimmer waren sodann die weißen Hosen zu zählen, es waren noch vier. Die ließ Sowtschick liegen aus Reservegründen. Er stieg in die «Verführungshose». Es waren die einzigen Jeans, die er je gekauft hatte, sie saßen extrem gut und waren auf kostbare Weise abgenutzt, hellblau, an Rilkes Hortensien erinnernd. Er durfte sie nicht tragen, wenn Marianne da war. Solche Hosen würden einem vorgerechnet werden, wenn es einmal hart auf hart ginge: «Ehen vor Gericht». Ob er als Jeans-Opa in die Geschichte einzugehen gedächte, hatte Marianne ihn gefragt, und das war die Ursache dafür, daß die Hose noch immer existierte.
Ein weißes Hemd zog er über, das ihm wegen seiner Enge das Gefühl einer breiten Brust gab, zwei Knöpfe offen, Haare kämmen und wieder in den Spiegel schauen.
Die feine goldene Brille im gebräunten Gesicht, das Haar von wenigen grauen Fäden durchzogen, leicht gewellt, in Kräusellocken endend, ein goldenes Kettchen um den Hals mit einem Anker dran: Nun kam das mit der gottähnlichen Harmonie schon eher hin.
Im Innenhof schwätzte der Brunnen: «Bitt’ schön, bitt’ schön, bitt’ schön …» Der Frühstückstisch war in den Schatten gerückt und bot einen Anblick, wie man ihn aus Filmen kennt, Feldblumenstrauß, gekochtes Ei, Brot in Scheiben, dazu Honig und die verschiedensten Marmeladen. Auf das Vorhandensein von mehreren Marmeladensorten und Gelees legte Sowtschick größten Wert, obgleich er fast nur Orangenmarmelade aß, die seinem Magen guttat. Sie war nicht so tükkisch wie das feurige Johannisbeergelee, das zwar unvergleichlich schmeckte, dessen Säure sich jedoch gelegentlich unter seine große Krone, rechts unten, zwängte und schlagartig Schmerzen erzeugte, die erst nach Stunden abebbten.
Auf dem Teller lag ein mit Blümchen verzierter Brief: «Holder Dichter!» stand darauf, ihnen wär es unbegreiflich, daß er es schon eine ganze Woche mit ihnen ausgehalten habe, sieben Tage, also 168 Stunden gleich 10 080 Minuten oder 604 800 Sekunden! – Wahrscheinlich hatten sie seinen Taschenrechner entdeckt und damit herumgespielt.
Das Frühstück? Tischleindeckdich! Hier war Lust und Liebe am Werk gewesen, und Sowtschick beschloß, die Mädchen am Ende ihres Aufenthalts reich zu belohnen. Er wollte sie schon noch stumm machen vor Freude! Wenn er in Urlaub gefahren wäre mit Marianne: Abend für Abend teure Restaurants, Taxifahrten, Souvenirs … Der Hunderter, den er den Mädchen zusätzlich aussetzen würde, wäre ja ein Klacks dagegen. Er würde ihn wie ein Lesezeichen in ein handsigniertes Buch legen, das nahm er sich vor.
Im übrigen war von den Mädchen nichts zu sehen. Haus
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