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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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und Garten lagen still und verlassen da, sie gingen offensichtlich mit den Hunden.

    Die laufen mir nicht weg, dachte Sowtschick. Er faltete die Zeitung auf, um sich unter den Klängen eines Streichquartetts als Informationssammler zu betätigen: Zum Ohltrop-Mord nichts Neues. Nach einem roten Opel wurde gefahndet, der in Kreuzthal als gestohlen gemeldet worden war. Die Täter seien wahrscheinlich im St.-Pauli-Umfeld zu suchen, hieß es, an heißen Spuren fehle es nicht. Ein deutsches Touristenehepaar, das war ferner zu lesen, hatte in Italien eine Ausraubung vorgetäuscht, um die Versicherung zu betrügen. Eindämmung des Asylantenstroms, jahreszeitlich bedingte Minderung der Arbeitslosenzahl um 0,1 Prozent, zunehmende Versalzung der Werra. Mal neugierig, wann das Salz knapp wird, dachte Sowtschick, und er stellte sich vor, daß kommende Generationen den Mißbrauch von «Salzstöcken» als Abfallhöhlen verfluchen würden … Und dann las Sowtschick, daß sich ein Walfisch in die Elbmündung verirrt hat und Zelluloseabfällen und warmen Abwässern entgegenschwimmt. Tierschützer versuchten vergeblich, ihn hinauszudrängen.

    Dies alles las Sowtschick. Die Informationen sanken als Bilder in die Tiefen seines Gehirns ab, wie im Herbstwald die Blätter: einige für immer verloren, andere sich mit toten Insekten und anderen Substanzen mischend, um als Humus geheimnisvolle Kräfte zu entfalten. Andere der aufgenommenen Bilder, ganz konkret, warteten, quasi aufgespießt auf direkte Verwendung.

    Als Sowtschick seinen Tee getrunken hatte, klingelte es. Einer der Schlosser stand vor der Tür. Da wären zwei Mädchen, sagte er, an Sowtschick vorbei ins Haus blickend, die trauten sich nicht, hier zu klingeln. Und da trat sie auch schon aus dem Gebüsch, die triumphierende Jugend, die Pferdemädchen waren es, Rita und Sabine. Ob sie Fango auf dem Rasen weiden lassen könnten? wollten sie wissen.

    Das war eine Frage! Selbstverständlich konnten sie das, auf alle viere hätte er sich niedergelassen und mitgeweidet, wenn sie es von ihm verlangt hätten.

    Klar wie Klärchen sei das, sagte Sowtschick und ging mit den beiden in den Garten, klar wie Klärchen. Von hier bis hier könnte das Tier sich ohne weiteres aufhalten, die Schafe würden sich schon nicht daran stoßen.

    «Seht ihr!» rief einer der Schlosser: «Herr Zoffscheck beißt nicht, fragen kost’ nix …»

    Sowtschick beachtete die Schlosser nicht weiter, er sah streng über sie hinweg, die Disko-Affäre mußte geahndet werden. Er ging mit den Mädchen ins Haus und zeigte ihnen Zimmer für Zimmer. Die beiden strichen an der Wand entlang, wichen den Glöckchen aus und tippten stumm auf dies und das, sagten, daß sie zu Hause auch einen Sessel hätten, und fragten, warum er sich kein Pferd anschafft?

    Ein gewisses zur Schau getragenes Desinteresse an seinen Kostbarkeiten irritierte Sowtschick: Er würde sie schon noch zum Staunen bringen, noch war der Schwimmgang zu entdecken. Er stellte sich also vor die Tür, was sie meinten, was dahinter verborgen wäre? Tresor oder was?

    «Das Schwimmbad», sagten sie, denn ihr Vater hatte daran mitgebaut und es seinerzeit als etwas zu doll empfunden. «Oh, oh, oh, wenn datt man gutgeiht …», hatte er gesagt.

    Als sie dann aber vor dem künstlichen Flüßchen standen, rissen sich die Mädchen sofort die Hemden vom Leib und sprangen hinein.

    Sowtschick sah ihnen zu, wie sie da hin und her tobten. Die Sache mit der Vertalgung der Anlage mußte man ja nicht unbedingt in der ersten Minute bekanntgeben, die Dusche würde man den Kindern auch später noch erklären können. Es war eine gute Idee gewesen, ein Schwimmbad zu bauen mit allem Drum und Dran, wenn auch der Rest-Room etwas zu dekorationsmäßig ausgefallen war, mit Knoll-Sesseln, Standrad, Rudermaschine und weißen Korbtischen. An der Wand weißgerahmte Aquarelle?

    Sowtschick mixte sich eine Orangeade und legte sich in einen der Knoll-Sessel. Er beobachtete die beiden Ratten. Ein Fernglas fehlte: Es war nicht recht auszumachen, was sie da hinten trieben.

    Als sie endlich genug hatten, stiegen sie aus dem Bach und kamen triefend näher, Wasserperlen auf der von der Kühle gehärteten Haut. Sowtschick blieb in seinem Stuhl liegen und sah sie sich an. Sie standen auf dem Flokati-Flausch-Teppich und wußten nicht so recht, was sie nun tun sollten. Schließlich erhob er sich, gab ihnen Handtücher und half wohl auch ein bißchen Abrubbeln. Dann zeigte er ihnen sein

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