Hundsvieh - Kriminalroman
berührt.«
Christines Körper wird von einem stummen Schluchzen geschüttelt.
Der junge Polizist wendet sich ab, zückt sein Funkgerät und fordert von irgendeiner Zentrale Verstärkung an.
Koch beugt sich über die Leiche. »Das ist Anna Rasut, daran besteht kein Zweifel!«
Schweigend stehen wir in der nebligen Nacht, die Kerzen knistern. Anna Rasut liegt da und lächelt. Sie scheint ihren Frieden gefunden zu haben.
Der junge Polizist fährt uns ins Dorf zurück. Schweigend sitzen wir auf der Rückbank, unfähig, die Bilder der Nacht in Worte zu fassen.
»Morgen um elf erwarte ich Sie alle drei auf dem Posten.«
Einen Moment noch stehen wir auf dem Platz vor der Krone. Dann berührt Christine kurz meinen Arm. »Gute Nacht, Claudio, danke für deinen Beistand.« Die Kurdirektorin versucht ein zaghaftes Lächeln, dreht sich dann um und verschwindet in einem Mehrfamilienhaus.
Müde erreiche ich die Pension Aurora. Es geht gegen zwei Uhr. Die Hintertür ist offen. Die schmutzigen Schuhe lasse ich unten im Flur stehen. Ohne Licht zu machen, steige ich auf Socken die steile Treppe hinauf.
Trotz der Müdigkeit liege ich lange wach und kratze meinen juckenden Ausschlag von den Oberschenkeln bis zu den Füßen. Immer wieder taucht vor mir die lächelnde Anna Rasut auf.
Wer war diese Frau? Ist es die Anna, die am Abend in der Pension angerufen hat und mit Barbla sprechen wollte?
12.
Völlig zerschlagen und mit wunden Beinen erwache ich am nächsten Morgen. Leise gehe ich hinunter, nehme meine Schuhe und mache mich auf den Weg zum Kurhaus.
»Guten Morgen.« Lächelnd übergibt mir eine junge Frau, die anstelle des bösen Drachen an der Rezeption des Kurhauses steht, den Bademantel und den Schlüssel zu meiner Badekabine.
Eine dampfende Wanne steht bereit. Langsam lasse ich meinen geschundenen Körper ins schweflige Wasser gleiten.
Schwungvoll reißt der Therapeut, der immer noch aussieht wie ein Psychiatriepfleger, den Vorhang auf. »Na, wie geht’s uns denn heute?«
»Wie es Ihnen geht, weiß ich nicht, ich bin müde und will meine Ruhe!«
Umständlich misst er die Wassertemperatur. »Es darf noch etwas wärmer sein.« Dann dreht er einen Hahn auf und lässt es dampfen.
»Sie sind doch bei der ›Grünen Front‹, Herr … äh …?«
»Keller. Gian Peder Keller, man nennt mich Dschipi.«
»Kennen Sie Anna Rasut?«
»Anna? Aber sicher, sie ist die Chefin bei der ›Grünen Front‹, sie hat unsere Aktionen organisiert, ihre Ideen sind genial.« Er schaut auf das Thermometer. »Und jetzt ist es heiß genug.«
»Anna Rasut ist tot, Dschipi.«
Keller erstarrt, wird bleich. »Das glaube ich nicht, unmöglich!«
»Sie ist ermordet worden!«
Der Bär schwankt. »Das kann doch nicht sein! Unsere Anna?«
»Ich habe sie selbst gesehen. Auf der Baustelle von Belasch. Und jetzt drehen Sie endlich den Wasserhahn zu, oder wollen Sie mich kochen?«
Keller gehorcht mechanisch. »Hören Sie zu, Mettler, ich muss dringend mit Barbla sprechen, suchen Sie sie, es ist wichtig. Sagen Sie ihr, dass Anna alles gewusst hat. ALLES!« Er wirft mir noch einen flehenden Blick zu, dann verschwindet er hinter dem Vorhang.
Statt in die Pension Aurora zurückzukehren, betrete ich die Krone. Schließlich muss ich mich um elf Uhr auf dem Polizeiposten melden, und ich habe ja noch nicht gefrühstückt.
»Sie wünschen?« Bruno, der Kronenwirt, reibt mit einem Lappen über den sauberen Tisch. »Einen Kaffee vielleicht?«
»Tee wäre mir lieber. Haben Sie einen wirklich guten, ich meine …«
»Tee ist Tee, oder?« Bruno verschwindet hinter dem Tresen.
Auf dem Tisch liegt eine Regionalzeitung. Vorne die Schlagzeile mit fetten Buchstaben: ›Maul- und Klauenseuche nähert sich der Schweizer Grenze. Große Ausmerzaktion in Süddeutschland‹.
Kein Wort über Anna. Die Tote im Hochmoor von Innerpers ist wohl erst nach Redaktionsschluss gemeldet worden. Auch gut.
Als der Wirt das Glas vor mich hinstellt, schaue ich auf die Uhr. Drei Minuten zwanzig, das macht auch aus einem lausigen Tee manchmal ein passables Getränk. Bruno wischt weiter an seinen Tischen herum und beobachtet mich aus den Augenwinkeln. Nach zwei Minuten öffnet sich die Tür und der Polizist Koch kommt herein. »Sind Sie nicht …?« Er setzt sich zu mir.
»Mettler, wir kennen uns von gestern Abend.«
»Mettler, genau. Der Freund von Frau Peters.« Er lacht hohl. »Einen Kaffee, Bruno! Sie brauchen übrigens nicht mehr auf den Posten zu kommen, der Mord ist
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