Hundsvieh - Kriminalroman
einen Marsch auf die Theke. »Informieren Sie sich gefälligst. Und heute Nachmittag um zwei erwarte ich ein geländegängiges Fahrzeug vor der Krone. Klar?«
Bevor ich antworten kann, erscheint eine weitere Dame im Büro, eine mit Hund, ebenfalls in äußerst geschmackloser Wanderkleidung, genau wie die bereits Anwesende. Sie mustern sich feindselig, als ob sie sich aus dem gleichen Versandkatalog kennen würden.
»Könnten Sie schnell … weil mein Putzli muss doch … verstehen Sie?« Sie hebt den Hund hoch.
»Wir sind gleich soweit!«, knurrt Dame Nummer eins. »Haben Sie das mit dem Wagen verstanden? Mit Fahrer. Für Maria Thalmann.«
»In Ordnung, Frau Thalmann, wird gemacht.« Geschäftig schreibe ich eine Notiz und wende mich dann meiner neuen Kundin zu.
»Moser ist mein Name, und das hier ist Putzli.« Sie streckt mir den Hund entgegen. »Ein feines Tier, nicht wahr?«
»Sicher, ein hübscher kleiner Kerl.« Ich halte dem Putzli die Hand vor die Schnauze, da knurrt er mich heftig an. »Dann eben nicht.«
»Er ist so sensibel!« Die Frau streichelt das wuschelige Ding auf ihrem Arm. »Und wenn man so sensibel ist, dann ist es doch klar, dass er all diese hässlichen Dinge nicht ertragen kann, verstehen Sie?«
Ich nicke verständnisvoll und beginne, die Prospekte auf der Theke neu zu sortieren. Unterdessen plätschert die Rede von Frau Moser so dahin. Erst als ich zum zweiten Mal das Wort ›tote Kuh‹ höre, schrecke ich auf. »Was sagen Sie da? Eine tote Kuh?«
»Nicht eine, mein Herr, gleich mehrere!« Entrüstet streckt mir Frau Moser den knurrenden Hund entgegen. »Wenn das nicht aufhört, reisen wir ab, verstehen Sie, wir melden es dem ›Blick‹.«
Der Hund strampelt wild in ihren Armen und bringt mit seinen Pfoten die sauber sortierten Prospekte erneut durcheinander.
»Beruhigen Sie sich, Frau Moser, es gibt sicher eine Erklärung …«
»Eine Erklärung? Wofür? Hören Sie, heute Morgen zum Beispiel, da gingen wir früh spazieren. Putzli mag einfach nicht liegen bleiben, wenn schönes Wetter ist. Wir marschierten also über die Wiesen zum alten Bahntunnel, da lagen die toten Kühe haufenweise. Bringen Sie das in Ordnung, sonst …« Frau Moser setzt den Hund ab und geht zeternd hinaus.
20.
Um zwölf Uhr schließe ich die Tür des Tourismusbüros von Innerpers und gehe hinüber zu Christines Wohnung. Die Hintertür steht offen, ich steige die Treppe hinauf. Niemand öffnet auf mein Klingeln, so trete ich ein.
Christine liegt im Wohnzimmer auf der Couch – im gleichen roten Nachthemd wie gestern Nacht. »Oh, Claudio, schön, dass du kommst, könntest du nicht …« Und schon bin ich als Krankenpfleger engagiert, schüttle ihre Kissen auf, koche Tee und mache ihr ein belegtes Brot.
»Die Operation war ganz schön schmerzhaft, weißt du.« Und bevor ich widersprechen kann, zieht sie ihr Nachthemd hoch und zeigt mir das kleine Pflaster auf der linken Pobacke.
»Dass ein kleines, lausiges Schrotkorn so schmerzen kann.«
»Hör mal, eine Frau Maria Thalmann war bei mir im Tourismusbüro und …«
»Ach, die Thalmann.« Christine schlürft einen Schluck Tee. »Warum schmeckt der Tee nicht so gut, wenn ich ihn selber angieße?«
»Du musst ihn genau drei Minuten und zwanzig Sekunden ziehen lassen. Hat mir ein Inder beigebracht … Frau Thalmann hat gesagt, sie brauche mich mit einem geländegängigen Fahrzeug für einen Ausflug heute Nachmittag.«
»Genau. Es handelt sich um die Politiker aus Chur und ihren Kollegen aus Deutschland. Wichtige Leute. Von ihnen hängt die weitere touristische Entwicklung des Tales ab. Du kannst meinen Wagen nehmen. Fahr sie, wohin sie wollen.«
»Na hör mal, ich bin zur Kur hier und nicht …«
»Mettler! Wer hat mich in der Nacht aus dem Bett geholt und ist schuld am Schrotkorn in meinem Po?« Sie schaut mich böse an.
Ich strecke die Hand nach dem Schlüssel aus.
»Na also! Geht doch. Kriege ich einen Kuss?«
Bis um zwei Uhr habe ich noch etwas Zeit, so gehe ich zu Dschipi hinüber. Vielleicht kann er mir erklären, was die Politiker aus Chur im Val Pers suchen und wie die toten Kühe, die Frau Moser gesehen haben will, zum Tunnel kommen. Das Haus von Dschipi ist wie gestern Nacht unverschlossen, doch er ist nicht da. So setze ich mich in die Küche, gieße mir ein Glas Wasser ein und lese die Zeitung.
Wenig später klopft es. »Hallo, ist jemand da?«
»Hereinspaziert. Das Wartezimmer ist hier drüben.«
Die Haustür wird geschlossen.
Weitere Kostenlose Bücher