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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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dann den Vorhang zu.
    »Schließ die Wohnungstür ab«, sagte sie, und nach einer Weile: »Wir haben es doch schön gehabt zusammen bis jetzt, oder nicht?«
    Peter Hunkeler stieg die Treppe zum Barfüßerplatz hinunter. Er hatte die Nase voll, er musste jetzt ein Bier haben, und zwar schnell. Dieser Geruch nach verhocktem Zigarettenrauch und abgestandenem Kaffee in kalten Pappbechern, diese auftrumpfende Hektik und Besserwisserei, diese fetten Ärsche in den Polizeihosen, diese antiseptisch sauber gereinigten Flure und diese Gitterfenster, aus denen die Verzweiflung tropfte und die grauen Wände nässte und mit Schimmel überzog, er ertrug das alles nicht mehr. Wer war er denn? Ein Menschenvernichter, ein Leuteeinsperrer, ein gedrillter Wachhund, der auf jeden Wink von oben zubiss?
    Aber nein. Er war ein sensibler Naturfreund, der nichts so liebte wie seine alte Hütte im nahen Elsass, ein Vogelkenner, der den Ruf des Hausrotschwanz-Männchens von dem des Gartenrotschwanz-Männchens ohne weiteres auf Anhieb unterscheiden konnte. Die Katzen des ganzen Dorfes liefen herbei, wenn sie den Motor seines Autos hörten. Sie wussten: Bei Peter war es gut, bei Peter wurde man gestreichelt, bei Peter gab es Büchsenfleisch.
    Warum war er denn bei diesem einfältigen Männertrupp engagiert, warum hatte er sich lebenslang anstellen lassen? Die Polizei, dein Freund und Helfer: Über diesen blödsinnigen Werbespruch, den sich irgendein versoffener Texter aus den Fingern gesogen hatte, konnte er nicht einmal mehr grinsen. Der war schlicht und einfach falsch. Wann hatte er in seiner langjährigen Laufbahn einem Menschen in Not helfen können, wann war er einer dieser abgewrackten Gestalten, von denen es in dieser Stadt jeden Tag mehr zu geben schien, als Freund erschienen? Privat ja, doch, da hätte er einige aufzählen können, die er aus dem Dreck herauszuziehen versucht hatte. Aber beruflich? Er wusste niemand.
    Der Beruf, mit dem er sein Geld verdiente, bestand aus Aufspüren, Abpassen, Verhaften, Überführen und Einsperren. Die kleinen Dealer hereinnehmen für eine Nacht hinter Schloss und Riegel, die ausgemergelten bleichen Burschen, die sich mit dem Weiterverkauf von einigen Gramm Heroin ihren eigenen Schuss zu finanzieren versuchten, das war sein Job. Er wusste so gut wie seine Kollegen, dass die Junkies im Knast Höllenqualen litten, wenn sie auf dem Aff waren. Aber das war die von oben geplante und beabsichtigte Strafe für die Sucht. Oder die Strichmädchen mit den Porzellangesichtern schikanieren, die man schon von weitem erkannte, wenn man Polizist war, das war seine Arbeit, abgesegnet von oben.
    Korporal Lüdi zum Beispiel, der wackere Polizeimann, war richtig versessen darauf, die Drögeler in flagranti zu ertappen. Hunkeler hatte ihm vor einigen Tagen in der Rheingasse zugeschaut, wie er einem am Boden hockenden Burschen die Spritze aus der Armvene riss. War das vielleicht auch mit dem Segen von oben geschehen? Und was waren das überhaupt für Leute da oben?
    Gewiss, es gab Gassenzimmer und Fixerstübli, wo sterile Spritzen erhältlich waren und ein geheizter Raum zur Verfügung stand. Aber erstens wusste niemand, wie lange es diese Einrichtungen nach dem kürzlichen politischen Rechtsrutsch noch geben würde, und zweitens waren sie keine grundlegende Lösung. Das Hauptproblem, das wusste Hunkeler schon lange, war die Kriminalisierung des Heroins. Solange Heroin nicht frei und zu einem vernünftigen Preis erhältlich war, würde es auch das Fixerelend geben.
    Warum aber war das Heroin nicht frei erhältlich? Die Antwort war klar: Weil es mächtige Leute gab, die am Heroin verdienen wollten. Und verdienen konnten sie nur, wenn der Stoff verboten war. Sobald man sich in der nächsten Apotheke einen Schuss kaufen konnte wie eine Flasche Bier im Spezereiladen, würde der Preis fallen, denn Heroin war an sich billig herzustellen.
    Wenn man aber daranging, die Hintermänner des Drogenhandels aufzuspüren und ans Licht zu zerren, diejenigen also, die an den Fixerinnen und Fixern verdienten, indem sie den verbotenen Stoff einführten und das damit verdiente Geld auf allerlei krumme Touren in saubere, harte Schweizer Franken umwandelten, stieß man ins Leere. Niemand war schuld, niemand wusste etwas, die hatten alle saubere Hände. Und wurde man dabei plötzlich verbissen und reaktivierte den alten, schon fast verlorengeglaubten Jägerinstinkt, wurde man von oben zurückgepfiffen. Denn das waren alles Ehrenmänner und

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